Thronrede der Queen Boris Johnson geht auf Labour-Wähler zu

London · Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit hält die Queen die Thronrede und eröffnet das britische Parlament. In seinem Regierungsprogramm geht Johnson auf Labour-Wähler zu.

 Elizabeth II. hält die sogenannte die „Queen‘s Speech“.

Elizabeth II. hält die sogenannte die „Queen‘s Speech“.

Foto: AP/Aaron Chown

Viel Arbeit für eine alte Dame: Elizabeth II. musste am Donnerstag das britische Parlament eröffnen – zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten. Mitte Oktober hatte Premierminister Boris Johnson schon einmal eine sogenannte „Queen‘s Speech“ angesetzt, eine Verlesung der Thronrede, die das legislative Programm der Regierung enthält. Nachdem in der letzten Woche Johnsons Konservative Partei in den Wahlen zum Unterhaus einen Erdrutschsieg erzielt hatte, stand eine erneute Thronrede an. Diesmal wollte die Queen das Ereignis zeremoniell etwas tiefer hängen. Statt in ihrer vergoldeten Kutsche fuhr sie in einem Auto zum Parlament und trug auch nur Mantel und Hut statt Staatsrobe und Diamantkrone.

Dabei hatte es diese Thronrede in sich. 40 neue Gesetzesvorhaben wurden vorgestellt. Der Umfang – beim letzten Mal waren es 26 Gesetze gewesen – verdeutlicht die Ambitionen, die die neue Johnson-Regierung an den Tag legt. Man stehe in der Pflicht, hatte der Premierminister seinem Kabinett eingebläut. „Die Wähler haben diese Regierung und unsere Partei zum Besseren verändert“, sagte Johnson seinen Ministern, „wir müssen ihr Vertrauen zurückzahlen, indem wir auf Hochtouren arbeiten und das Land zum Besseren ändern.“ Seine Regierung, unterstrich Johnson, sei „eine Regierung des Volkes und dies ist ein Kabinett des Volkes.“

Johnson konnte die Wahl gewinnen, weil er der Labour-Partei die Arbeiterklasse stahl. Der sogenannte „rote Wall“ in den Midlands und Nord-England wurde durchlöchert. Eine Labour-Hochburg nach der anderen ging verloren. Wahlkreise in Nordengland, die niemals andere Abgeordnete als diejenigen der Arbeiterpartei gesehen hatten, fielen an die Konservativen. Wähler, die Labour als natürliche Klientel verstand, liefen zu den Torys über. Diese Stimmen, predigt Johnson nun seit Tagen, seien nur geliehen. Die Konservative Partei müsse sich diesen Vertrauensvorschuss verdienen, indem sie liefert und „die Prioritäten des britischen Volkes“ bedient.

Darunter versteht Johnson vor allem die Lieferung des Brexit. Das erste Gesetz, das die Queen in ihrer näselnd-hohen Stimme ankündigte, war die „Withdrawal Agreement Bill“. Schon an diesem Freitag soll das Austrittsgesetz im Parlament eingebracht werden. Bis Ende Januar muss es ratifiziert sein, um den fristgerechten Austritt aus der EU am 31. Januar nächsten Jahres vollziehen zu können. Dass Johnson gelingen wird, woran seine Vorgängerin Theresa May immer wieder gescheitert war, wird nicht bezweifelt.

Austrittsgesetz soll eine neue Klausel erhalten

Der Premierminister hat jetzt eine absolute Mehrheit von 80 Stimmen, mit der er praktisch jedes Gesetz durch das Unterhaus peitschen kann. Das Austrittsgesetz soll eine neue Klausel enthalten, die es der Regierung verbietet, eine Verlängerung der Übergangsphase über den 31. Dezember 2020 zu beantragen. Johnson will damit signalisieren, dass Großbritannien, komme was wolle, Ende nächsten Jahres die Übergangsphase beendet und die EU nicht nur de jure sondern auch de facto verlassen hat. Freilich riskiert die kurze Verhandlungsphase von elf Monaten, dass kein Freihandelsabkommen mit der EU vereinbart werden kann und es zu einem harten Brexit kommt.

Im Rest seines Regierungsprogramms hat Johnson eine Reihe von Maßnahmen untergebracht, die auf die Erwartungen seiner neuen Wählerschaft zugeschnitten sind. Mit der drakonischen Sparpolitik, die konservative Regierungen seit 2010 verfolgt haben, ist es vorbei. Stattdessen sollen die öffentlichen Dienste kräftig bezuschusst werden. Ein Gesetz zum Nationalen Gesundheitsdienst NHS wird festschreiben, dass dessen Finanzierung um zusätzliche 33,9 Milliarden Pfund pro Jahr aufgestockt.

Investitionen in die nationale Infrastruktur und ein großzügiges Finanzierungsprogramm für das Schulsystem runden Johnsons Angebot an ehemalige Labour-Wähler, die eine größere Rolle des Staates begrüßen, ab. Die eher sozial-konservativen Instinkte dieser Wählerschaft will Johnson auch bedienen: Sexual- und Gewalttäter sollen strengere Strafen bekommen und Angriffe auf Polizisten sollen härter geahndet werden. Auch Messer-Kriminalität soll schärfer bestraft werden.

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