Aleksei Nawalny im Porträt Blogger gegen Putin

Moskau · Aleksei Nawalny will 2018 für das Amt des russischen Staatschefs kandidieren. Er gilt als der charismatischste Oppositionsführer.

 Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny.

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny.

Foto: dpa

Er machte es amerikanisch. Glattrasiert, dunkelblauer Schlips, dunkelgrauer Anzug, links Nationalfahne, rechts Familienfotos, sein stählerner Blick ließ die Kamera nicht los. Aber er sprach über russische Realitäten: „Mir ist klar, dass es schwierig wird, der Staatsmacht, ihrer Fälschungs- und Propagandamaschine, zu widerstehen.“ Es werde nicht leicht sein, überhaupt zu kandidieren. Aber Russland müsse ein freies, reiches und starkes Land werden.

Aleksei Nawalny, 40, Moskauer Blogger, Korruptionsbekämpfer und Oppositionspolitiker, hat angekündigt, er wolle an den Präsidentschaftswahlen 2018 teilnehmen. Ein früher und verbal wuchtiger Start: „Das Hauptproblem Russlands ist die Machtergreifung durch eine kleine Gruppe von Leuten und die ungeheuerliche Ungleichheit, die daraus entstanden ist.“ Nawalny fordert Wohlstand für alle und eine saftige Einmalsteuer für alle Profiteure des Staatskapitalismus.Vertreter mehrerer Oppositionsparteien, aber auch viele Politologen loben Nawalnys frühe Kampfansage an den Kreml.

„Das gibt Hoffnung, dass sich das gesellschaftliche Leben wieder belebt, Nawalnys Kandidatur wird den liberalen Teil der Bevölkerung neu mobilisieren“, sagte der Menschenrechtler Sergei Dawidis unserer Zeitung. „Er hat dem Kreml die Initiative abgenommen, der ist jetzt gezwungen zu reagieren.“ Alles, was Putin-Sprecher Dmitri Peskow dagegen zu Nawalnys Auftritt zu sagen hatte, lautete: „Gar nichts.“

Noch ist Kandidatur fraglich

Noch ist Nawalnys Kandidatur fraglich: In Kirow wird zurzeit der Betrugsprozess gegen Nawalny von 2013 wieder aufgerollt. Das Oberste Gericht setzte das damalige Skandalurteil von fünf Jahren Straflager auf Bewährung später aus, sollte es erneut bestätigt werden, gälte Nawalny wieder als vorbestraft und dürfte nicht kandidieren. „Der Prozess in Kirow wird bis zum Schluss Nawalnys mögliche Kandidatur bedrohen“, sagt der Politologe Michail Winogradow. „Deshalb versucht er, möglichst viel öffentliche Aufmerksamkeit dorthin zu lenken.“ Die Zeitung Nowaja Gaseta titelt: „Es gibt 1000 Methoden, Nawalny zu stoppen. Aber sie werden jetzt große Politik sein.“

Nawalny, verheiratet, zwei Kinder, gilt nach dem Tod Boris Nemzows als der charismatischste Oppositionsführer. Das Prädikat „Partei der Diebe und Gauner“, mit dem er 2011 die Staatspartei „Einiges Russland“ bedachte, wurde zur Parole der Straßenproteste 2011/2012. Bei den Moskauer Bürgermeisterwahlen 2013 holte er mit einem Straßenwahlkampf, den die staatlichen Medien totschwiegen, überraschend 27 Prozent der Stimmen, Amtsinhaber Sergei Sobjanin vermied mit 51 Prozent mühsam eine Stichwahl.

Dabei war Nawalny wegen seiner Nähe zu den russischen Nationalisten lange umstritten, 2007 forderte er per Video, Kakerlaken mit Fliegenklatschen zu beseitigen, islamistische Kaukasier aber mit Pistolen. „Davon hat er sich längst distanziert“, sagt Dawidis. „Nawalny ist Nationalliberaler und der einzige demokratische Kandidat ohne Verliererimage.“

Wirklich hoffen jetzt viele Oppositionelle auf Nawalnys populistisches Talent. Allerdings kennt ihn in der Provinz fast niemand, als Präsidentschaftskandidat traut ihm kein Politologe mehr als zehn Prozent der Stimmen zu. Als Nawalny seine Kandidatur erklärte, ragten hinter dem Fenster ein Wolkenkratzer des Geschäftszentrums Moscow City und ein stalinscher Turm im Zuckerbäckerstil aus dem Nebel. Auch Hintergrund kann Machtanspruch sein. Einziges Problem: Die Fernsehsender ignorierten Nawalnys symbolstarken Auftritt.

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