„Seien Sie kein Idiot“ Bizarrer Trump-Brief erschwert Vermittlungen zu Nordsyrien

Ankara · Der türkische Präsident Erdogan empfing am Donnerstag den amerikanischen Vizepräsidenten Mike Pence in Anklara. Ein bizarrer Trump-Brief erschwert die Vermittlungsmission der USA in Ankara zu Nord-Syrien.

 US-Vize-Präsident Mike Pence beim Treffen mit Präsident Erdogan in Ankara.

US-Vize-Präsident Mike Pence beim Treffen mit Präsident Erdogan in Ankara.

Foto: AP/Jacquelyn Martin

Kein Lächeln für die Kameras, kaum ein freundliches Wort. Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag den amerikanischen Vizepräsidenten Mike Pence in seinem Palast in Ankara empfing, wirkten die beiden Politiker selbst beim Händedruck für die Fotografen wie zwei Boxer, die nur darauf warten, aufeinander loszugehen.

Pence war nach Ankara gekommen, um Erdogan zu einem Waffenstillstand der türkischen Armee in Nord-Syrien zu bewegen. Die Türken gehen im Nachbarland gegen die Kurdenmiliz YPG vor, die sie als terroristische Bedrohung betrachten – doch die USA sehen die YPG als Partner im Kampf gegen den Islamischen Staat. Nachdem US-Präsident Donald Trump letzte Woche zunächst grünes Licht für die türkische Intervention gegeben hatte, droht Washington inzwischen mit verheerenden Wirtschaftssanktionen gegen den NATO-Partner in Ankara.

Brief vom 9. Oktober aufgetaucht

Nicht nur wegen dieser Widersprüche hatte Pence in der türkischen Hauptstadt einen schweren Stand. Vor seiner Ankunft war ein Brief von Trump an Erdogan vom 9. Oktober bekannt geworden, der in der Geschichte der Diplomatie beispiellos ist. „Spielen Sie nicht den starken Mann, seien Sie kein Idiot“, schrieb Trump. In dem Schreiben forderte der US-Präsident den türkischen Staatschef mit drastischen Formulierungen zu Verhandlungen mit der YPG auf und drohte erneut, er werde die türkische Wirtschaft mit Sanktionen „zerstören“, wenn es keine gütliche Lösung geben. Wenn Erdogan nicht zurückstecke, werde er in der Geschichte für immer der „Teufel“ bleiben.

Türkische Medien zitierten hochrangige Regierungsvertreter in Ankara mit den Worten, Erdogan habe Trumps Brief „in den Müll geworfen“. Als Antwort auf das Schreiben sei die Türkei am 9. Oktober in Syrien einmarschiert. In den vergangenen Tagen hatte Erdogan mehrfach die Forderung der USA und der Europäer nach einem Waffenstillstand abgelehnt.

Während Erdogan mit Pence konferierte, spekulierten türkische Beobachter über die Reaktion des türkischen Präsidenten auf Trumps Brief. Unter anderem galt eine Absage eines geplanten Erdogan-Besuches in Washington am 13. November als möglich.

Durchbruch war nicht zu erwarten

Der türkische Staatschef dürfte Pence auch genau erläutert haben, warum er Trumps Vorschlag von Verhandlungen mit der YPG ablehnt: Der von Trump in seinem Brief zitierte YPG-General Mazloum Abdi ist ein früherer Kommandeur der terroristischen Kurdengruppe PKK und nach türkischen Angaben verantwortlich für den Tod von 41 Zivilisten bei PKK-Anschlägen auf türkischem Boden. Dass sich ein Vertreter Ankaras mit Mazloum an einen Tisch setzt, ist ausgeschlossen.

Ein Durchbruch war bei dem Treffen von Erdogan und Pence, das bei Redaktionsschluss noch andauerte, deshalb nicht zu erwarten. Trotzdem könnte es bald Bewegung im Syrien-Konflikt geben. Noch während Pence in Ankara war, begann die türkische Regierung mit den Vorbereitungen für ein Gipfeltreffen von Erdogan und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kommende Woche. Putin, der Schutzherr des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, will mit Erdogan im Schwarzmeer-Badeort Sotschi über einen Ausgleich der Interessen von Türkei und syrischer Regierung im Nordosten des Bürgerkriegslandes reden.

Bisher lehnt Erdogan eine Zusammenarbeit mit Assad ab, den er als Erzfeind betrachtet. Auch der syrische Staatschef gibt sich unversöhnlich. Syrien werde mit „allen legitimen Mitteln“ gegen die Aggression der Türkei vorgehen, erklärte Assad am Donnerstag.

Syrische Staatsmedien veröffentlichten unterdessen Fotos von Regierungssoldaten, die in der Stadt Kobani an der Grenze zur Türkei die Staatsflagge hissten. Kobani wurde seit einer Schlacht gegen den Islamischen Staat 2014 und 2015 von der YPG gehalten und war zu einem Symbol der kurdischen Selbstverwaltung geworden. Damit ist ein Vorstoß der türkischen Armee in die Stadt vorerst ausgeschlossen.

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