Kommentar zu Donald Trump als US-Präsident Beunruhigende Aussichten für die USA

Meinung | Washington · Wenn Donald J. Trump als US-Präsident auch nur einen Teil seiner Ankündigungen wahr macht, dann werden sich die Vereinigten Staaten bald nicht mehr wiedererkennen.

Sagen, was man denkt. Tun, was man sagt. Ein alter, schöner Satz des ehemaligen Menschenfängers und Bundespräsidenten Johannes Rau. Aus der Zeit, als Politik noch den Anstrich des Honorigen hatte. Übertragen auf die neue Zeit, die am 9. November 2016 in den USA angebrochen ist, möchte man laut rufen: Bitte nicht!

Wenn Donald J. Trump auch nur einen Teil seiner Ankündigungen wahr macht, dann werden sich die Vereinigten Staaten bald nicht mehr wiedererkennen. Auszüge aus seiner To-do-Liste, die weltweit Schweißausbrüche auslöst: den Obersten Gerichtshof zu einer rechts-ideologischen Bastion machen, Muslime ausgrenzen, illegale Latinos abschieben, Folter als Mittel in der Terrorismusbekämpfung zulassen, China als Währungsmanipulierer durch die Manege schleifen, die Verbreitung von Atomwaffen fördern.

Hat er alles gesagt. Also lautet die Eine-Million-Dollar-Frage: Wird Präsident Trump machen, was Kandidat Trump versprochen hat? Niemand weiß es heute verlässlich. Und genau das ist es, was Angst macht. In einer Welt, deren Ordnung immer brüchiger statt stabiler wird, ist Verlässlichkeit für eine Supermacht wie Amerika die einzige Existenzberechtigung. Donald Trump spielt mit diesem hohen Gut wie mit Jetons am Roulett-Tisch. In der Geschäftswelt mag Pokern ein probates Mittel sein, um Ziele zu erreichen. In der Diplomatie, man erinnere an die Kuba-Krise in den 60er Jahren, kann Versuch-und-Irrtum tödlich enden. Nicht Waffenarsenale erhöhen die Kriegsgefahr. Die Unberechenbarkeit derer tut es, die darüber die Befehlsgewalt haben. Donald Trump hat bisher noch nicht ein Mal bewiesen, dass er den Unterschied erkennt und respektiert.

Vieles sei einfach nur Bluff, anderes politisch unkorrekte Provokation gewesen, um die Konkurrenz auf Trab und sich selber im Gespräch zu halten, sagen seine Fans. Trump, der alte, gewiefte Geschäftsmann, folge eben einem alten Prinzip: maximale Forderungen aufstellen, um am Ende eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Im Weißen Haus werde die Welt einen anderen Trump erleben. Einen zivilisierten Mann, der sich seinem Verantwortungsgefühl bewusst ist.

Leider spricht für dieses Szenario bisher wenig. Donald Trump denkt und handelt im Affekt. Monatelang haben ihn seine Berater um Disziplin gebeten – fast immer vergeblich. Warum sollte sich das jetzt ändern? Der Mann ist 70. Austherapiert sozusagen. Auch die Hoffnung darauf, dass der Kongress, die Justiz und die Öffentlichkeit Trump unüberwindbare Leitplanken setzen werden, ist nicht mehr als das Pfeifen im dunklen Wald. Die Verfassung gibt es her: Wer Macht will, kann sie sich nehmen. Trump hat sich nicht weniger zur Aufgabe gemacht, als das bewährte System zu sprengen. Er will – wirklich – aufräumen in Washington. Dafür hat man ihn gewählt.

Die landläufige Erzählung, Donald Trump sei nur ein talentierter Schauspieler, der je nach Publikumsbedarf Rollen annimmt und ablegt, kann vielleicht im Reality-TV-Geschäft durchgehen. Geht es da schief, sinkt die Quote. Im Weißen Haus steht leicht die Welt im Feuer, wenn sich jemand verzockt. Donald Trump weiß nicht, was er nicht weiß. Beunruhigenderes kann man über einen amerikanischen Präsidenten nicht sagen.

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