Nun ist Ankara am Zug Ausweitungsstopp für EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei

Brüssel · Brüssel hat vorgelegt, nun ist Ankara am Zug. Erstmals ist offiziell festgehalten worden, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorerst nicht ausgeweitet werden. In der Vergangenheit hat Ankara derartige politische Signale selten unkommentiert gelassen.

 Bei einem Ministertreffen in Brüssel wurde erstmals offiziell festgehalten, dass die Verhandlungen angesichts der aktuellen Verhältnisse in der Türkei nicht weiter ausgeweitet werden.

Bei einem Ministertreffen in Brüssel wurde erstmals offiziell festgehalten, dass die Verhandlungen angesichts der aktuellen Verhältnisse in der Türkei nicht weiter ausgeweitet werden.

Foto: Karl-Josef Hildenbrand/Archiv

Nach dem jüngsten EU-Beschluss zum Ausweitungsstopp für die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist nach wie vor offen, wie Ankara darauf reagiert.

Bei ihrem Gipfel am Donnerstag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU unter anderem über das Verhältnis zur Türkei beraten - nicht ausgeschlossen scheint, dass von dort aus schon vorher ein politischer Konter gesetzt wird.

Die Europäische Union hatte am Dienstag politische Konsequenzen aus den Ereignissen nach dem Putschversuch in der Türkei gezogen. Deutschland und andere Mitgliedstaaten folgten zwar nicht den Forderungen Österreichs und des Europaparlaments, die EU-Beitrittsgespräche mit dem Land einzufrieren. Bei einem Ministertreffen in Brüssel wurde allerdings erstmals offiziell in einer Erklärung der Präsidentschaft festgehalten, dass die Verhandlungen angesichts der aktuellen Verhältnisse in der Türkei nicht weiter ausgeweitet werden.

Bislang hatten lediglich einzelne Mitgliedstaaten zu verstehen gegeben, dass sie derzeit keine neuen Verhandlungskapitel öffnen wollen. Noch im März hatte es in einer Erklärung der EU und der Türkei geheißen: "Die EU und die Türkei bekräftigten ihre Entschlossenheit zur Neubelebung des Beitrittsprozesses."

Mit dem Ausweitungsstopp für die Türkei-Gespräche reagiert die EU vor allem auf das Vorgehen türkischer Behörden gegen Medien und Oppositionspolitiker. Das Verhalten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan stehe "jenseits der Werte der Europäischen Union", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). "Da wird gegen die Grundsätze von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten verstoßen. Das ist mit einer Mitgliedschaft in der EU nicht zu vereinbaren." Europa solle der türkischen Bevölkerung klarmachen, dass sie den Machthunger ihres Staatsoberhaupts teuer bezahlen müsse.

Für einen Eklat hatte bei dem Ministertreffen am Dienstag Österreich mit seiner Forderung nach einem Einfrieren der Verhandlungen gesorgt. Soweit wollten die anderen Länder nicht gehen. Daraufhin blockierte Österreich letztendlich sogar eine gemeinsame Erklärung aller EU-Staaten.

Die Abgeordneten des Europaparlaments hatten sich vor kurzem ebenfalls mit großer Mehrheit für ein Einfrieren der Verhandlungen ausgesprochen. Die Bundesregierung vertritt hingegen die Auffassung, dass dies mehr schaden als nützen würde.

Die EU-Kommission hatte bereits vor dem Ministertreffen versucht, die Bedeutung eines Ausweitungsstopps herunterzuspielen. "Wir haben seit dem versuchten Staatsstreich keine wirklichen Beitrittsverhandlungen. Und ich sehe das auch nicht in den nächsten Monaten", sagte der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn. Aus seiner Sicht sei die ganze Debatte deswegen "artifiziell".

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