Londons neuer Bürgermeister Aus der Sozialwohnung ins Londoner Rathaus

London · Sadiq Khan, Sohn eines pakistanischen Einwanderers und Busfahrers, ist neuer Bürgermeister der britischen Hauptstadt. Die Herausforderungen, die im Rathaus auf ihn warten, sind groß.

 Nach der Vereidigung: Sadiq Khan ist der neue Bürgermeister von London. Damit regiert erstmals ein Muslim eine westliche Hauptstadt.

Nach der Vereidigung: Sadiq Khan ist der neue Bürgermeister von London. Damit regiert erstmals ein Muslim eine westliche Hauptstadt.

Foto: AFP

Er hätte sich längst nicht mehr vorstellen müssen, als er am Samstagmorgen vor der jubelnden Menge auftrat. Das frisch vereidigte Oberhaupt der britischen Hauptstadt tat es trotzdem: „Mein Name ist Sadiq Khan, und ich bin der Bürgermeister von London.“ Unaufgeregt, wie es seine Art ist, aber dennoch stolz präsentierte sich der Labour-Politiker, der nach acht Jahren unter dem Konservativen Boris Johnson einen Machtwechsel in der Metropole eingeläutet hat.

„London hat für die Hoffnung und gegen die Furcht, für die Einheit und gegen die Spaltung gestimmt“, sagte der 45-Jährige und spielte damit auf den garstigen Wahlkampf der vergangenen Wochen an. Sein Kontrahent, der Konservative Zac Goldsmith, hatte eine Schlammschlacht angezettelt, die bereits vor der Wahl am Donnerstag von allen Seiten, selbst von der eigenen Schwester, scharf kritisiert wurde. Mit rassistischen Untertönen versuchte der Milliardärssohn, Stimmung gegen Khan zu machen.

Sadiq Khans Geschichte ist eine des Erfolgs – eine, die sich so blendend verkauft, weil sie ziemlich weit unten startet und sehr weit oben endet. Sie handelt vom Aufstieg des Einwanderersohns und steht als Vorbild für Millionen von Immigrantenfamilien im Königreich. Khans Eltern zogen in den 60er Jahren aus Pakistan nach London, der Vater verdingte sich als Busfahrer der Linie 44, die Mutter stockte das Gehalt auf, indem sie als Näherin zu Hause arbeitete. Das Geld reichte im Grunde nie.

Als Kind träumte Khan nicht einmal davon, Bürgermeister zu werden

Sadiq Khan wuchs zusammen mit sieben Geschwistern in einer Sozialwohnung im Südlondoner Arbeiterviertel Tooting auf. Damals habe er nicht einmal davon geträumt, eines Tages Bürgermeister der Hauptstadt zu werden. Die City Hall lag in jeder Hinsicht außer Reichweite. Khan besuchte im klassenverliebten Großbritannien, wo noch immer die Schulwahl die berufliche Karriere bestimmt, staatliche Einrichtungen und nicht – wie die meisten seiner Kollegen und Kontrahenten – Privatschulen. Im Anschluss studierte der Sozialdemokrat Jura in London und praktizierte als Anwalt für Menschenrechte, bevor er 2005 Labour-Abgeordneter wurde. Seine politisches Talent wurde schnell entdeckt.

Während der vergangenen Wochen ließ der Fußballfan kaum eine Gelegenheit verstreichen, auf seine Herkunft hinzuweisen. Noch heute lebt er mit seiner Frau Saadiya, ebenfalls Anwältin, und den zwei Kindern in Südlondon. Immer wieder betonte er im Wahlkampf, er kenne die Sorgen der Menschen nur allzu gut. Doch die Herausforderungen, die im Rathaus auf ihn warten, sind groß. Genauso wie sein Versprechen: ein sozialeres London.

Die Hauptstadt mit ihren 8,6 Millionen Einwohnern ächzt unter einer notorischen Wohnungsnot, der Mangel an Wohnraum und explodierende Immobilienpreise zwingen Normal- und Geringverdiener aus der Stadt. Khan will die Hälfte aller bis 2020 neu gebauten Wohnungen bezahlbar machen und die Praxis unterbinden, dass reiche Investoren Appartements aufkaufen, die dann leerstehen. Hinzu kommen die steigenden Kosten des öffentlichen Nahverkehrs. Sadiq Khan hat versprochen, die unaufhörlich wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich zu bekämpfen. Dabei ist das umso schwieriger, weil er als Bürgermeister zwar über ein Budget von umgerechnet mehr als 20 Milliarden Euro verfügt, seine Macht jedoch begrenzt ist. Lediglich über die Bereiche Verkehr, Polizei, Bauprojekte und Luftqualität hat das Stadtoberhaupt das Sagen.

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