Ostukraine Artilleriefeuer behindert Bergungsarbeiten und Spurensicherung

MOSKAU · In der Ostukraine wird weiter heftig gekämpft. Trotzdem konnten am Freitag 101 Fachleute, in der Mehrzahl Niederländer und Australier, die Bergungsarbeiten und Spurensicherung auf dem Abschussfeld der malaysischen Boeing fortsetzen, wie der ukrainische Vizepremier Wladimir Groisman am Freitag der Agentur Ria Nowosti sagte.

 Ukrainische Soldaten feuern auf eine Stellung prorussischer Separatisten.

Ukrainische Soldaten feuern auf eine Stellung prorussischer Separatisten.

Foto: dpa

Am Vortag mussten die internationalen Experten ihre Arbeit vor Ort wegen Artilleriefeuers nach eineinhalb Stunden abbrechen. Die Suchmannschaften vermuten in dem Gebiet noch etwa 80 Leichname. Vor zwei Wochen war dort eine malaysische Passagiermaschine offenbar nach Raketenbeschuss abgestürzt, alle 298 Insassen kamen ums Leben.

Das Trümmerfeld befindet sich nahe der seit Wochen umkämpften Höhe Saur Mogila, nach Angaben des ukrainischen Militärportals sprotyv.info haben es die Regierungstruppen gerade eingenommen, Sprecher der Rebellen dementieren. "Ich habe schon viele Kriege gesehen", sagt Iwan Konowalow, Chef des Moskauer Instituts für Strategische Trendstudien, unserer Zeitung. "Aber es ist einmalig, dass die Untersuchung eines Flugzeugsabsturzes auf so kriegerische Weise behindert wird." Konowalow folgert aus den Angriffen der Regierungstruppen, die Ukraine wolle dort Spuren verwischen, Kiewer Kommentatoren werfen den prorussischen Separatisten dieselbe Absicht vor.

Währenddessen verwirrt sich die Kriegslage weiter. Die ukrainische Nachrichtenagentur Unian veröffentlichte am Freitag eine Karte, wonach die ukrainische Armee dabei ist, die Gebietshauptstadt Lugansk im Norden des Rebellengebiets einzukreisen und auch die Verbindung zwischen der Millionenstadt Donezk und ihrem Einzugsgebiet im Westen abzuschneiden. Allerdings gestand ein Militärsprecher, bei den Kämpfen um Schachjorsk, wo sich die westliche Zange schließen soll, sei eine Kolonne Fallschirmjäger in einen Hinterhalt geraten, es ist von zehn Toten die Rede.

Viele Beobachter betrachten es als unmöglich, die Separatistenhochburgen komplett zu blockieren. "Die Ukrainer sind dreifach überlegen, aber zahlenmäßig zu schwach, um eine lückenlose Front aufzubauen", sagt Konowalow. "Dieser Krieg erinnert eher an den ukrainischen Bürgerkrieg von 1919: Damals wurde nur entlang der großen Eisenbahnlinien gekämpft, jetzt geht es um die Hauptstraßen."

Außerdem haben die Rebellen ihrerseits zwei ukrainische Brigaden an der Grenze zu Russland östlich von Krasnodon abgeschnitten. Zwar meldeten am Freitag ukrainische Agenturen, die Truppen hätten sich ins Landesinnere abgesetzt. Aber der Fallschirmjägerkommandeur Juri Galuschkin gestand Journalisten, man sei gezwungen, Verletzte auf russisches Gebiet zu evakuieren, obwohl die beiden Brigaden von dort mit Grad-Salvengranatwerfen beschossen würden.

Die US-Regierung hatte vor mehreren Tagen Satellitenfotos vorgelegt, die beweisen sollen, dass russische Geschütze auf ukrainisches Gebiet feuern. Und ukrainische wie westliche Beobachter befürchten, dass die an der Grenze massierten russischen Streitkräfte offen ins Donbass einmarschieren.

In den belagerten Großstädten Donezk und Lugansk schlugen am Freitag wieder Granaten ein, dabei starben in Lugansk fünf Menschen, ein Autobuspassagier in Donezk wurde tödlich verletzt. Unbekannte erschossen bei einem Überfall auf einen Werbestand der Separatistenpartei "Neurussland" im sonst fast menschenleeren Zentrum Donezks mindestens einen Aktivisten. In Lugansk sind Strom und Wasser ausgefallen, Donezk droht ähnliches. "Wenn Steven King Inspiration sucht, sollte er hierherkommen", schreibt das ukrainische Nachrichtenportal Ukrainskaja Prawda.

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