Europa Angst um den Kontinent

Berlin · EVP-Fraktionschef Manfred Weber sieht Europa vor dem Entscheidungsjahr. "Europa und die europäische Idee stehen massiv unter Druck", sagt der CSU-Politiker.

 Seit 2014 Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament: Manfred Weber.

Seit 2014 Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament: Manfred Weber.

Foto: dpa

Es gab schon bessere Phasen für Europa. Manfred Weber sitzt jetzt seit zwölfeinhalb Jahren im Europäischen Parlament. Aber er könne sich „an keine Zeit erinnern, die so fundamentale Veränderungen“ für Europa und die Welt gebracht habe wie in diesem Jahr. „Europa und die europäische Idee stehen massiv unter Druck“, sagt Weber, der seit 2014 Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volksparteien (EVP) ist.

Wenn der 44 Jahre alte CSU-Politiker in diesen Tagen auf Europa blickt, sieht er den alten Kontinent vor einem „Entscheidungsjahr 2017“, wie er am Montag in Berlin sagte. Dann entscheide sich bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen in Frankreich, Italien, Österreich, den Niederlanden und in Deutschland auch, welches Europa die Menschen künftig wollen. Populisten von links und rechts bedrohten den demokratischen Geist der europäischen Idee.

Doch die überzeugten Europäer dürften nicht der Versuchung verfallen, „die Sprache von Radikalen“ zu übernehmen. Weber sieht in und um Europa zahlreiche Brandherde und Konflikte, die die Stabilität und den Zusammenhalt in der EU auf eine Probe stellten: In Polen schaffe die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gewissermaßen die Medien- und Meinungsfreiheit ab, in Griechenland habe Ministerpräsident Alexis Tsipras seine Wahl „auf Lügen aufgebaut“ und dabei „leider auch nationalistische Gefühle bedient“. Auf die Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei wiederum habe die EU mit „Sprachlosigkeit“ reagiert. Und in der „Syrien-Frage“ sei die EU bedauerlicherweise abwesend gewesen.

Weber hat nun vorgeschlagen, wenigstens das größte Leid in Syrien lindern zu helfen. Nicht mit dem Scheckbuch, sondern mit Taten: Aus dem total zerstörten Aleppo sollen 20 000 Flüchtlinge auf die Staaten der EU verteilt werden. Daran könne man sehen, dass die CSU-Forderung nach einer Flüchtlingsobergrenze eben nicht bedeute, Deutschland abzuriegeln, sondern dass man im Falle von Aleppo ein „humanitäres Zeichen“ senden wolle. Zugleich bekräftigt Weber: „Ich stehe voll hinter der Forderung nach einer Obergrenze.“ Eine solche hatte CSU-Chef Horst Seehofer zur Bedingung für eine künftige Regierungsbeteiligung gemacht, sonst würde die CSU in die Opposition gehen.

Der CSU-Vize vermutet, dass der Streit zwischen CDU und CSU um eine Flüchtlingsobergrenze auch bei einer gemeinsamen Klausur Anfang Februar in München nicht beigelegt werden kann. Doch es sei „extrem wichtig, dass CDU und CSU geschlossen auftreten“ im Wahlkampf. „Dass wir Angela Merkel weiter als Kanzlerin wollen, steht für mich nicht zur Debatte.“ Die Obergrenze stünde dann eben im speziellen CSU-Wahlprogramm, dem Bayern-Plan.

Weber, der seit November 2015 auch CSU-Vize ist, hat in seiner Partei schnell Karriere gemacht. 2002 zog er als Nachrücker mit nur 29 Jahren als damals jüngster Abgeordneter in den Bayerischen Landtag ein. Von 2003 bis 2007 führte er als Landesvorsitzender die Junge Union in Bayern. Bei der Landtagswahl 2003 behauptete er seinen Sitz im Maximilianeum. Bereits im Juni 2004 wechselte Weber in die Europapolitik und zog erstmals für die 1,2 Millionen Einwohner Niederbayerns ins Parlament in Straßburg ein. 2014 wurde er dann EVP-Fraktionschef. Weber hofft nun darauf, dass die sozialistische Fraktion in Straßburg die Verabredung mit der EVP einhält und, wie abgemacht, den Posten des EU-Parlamentspräsidenten im Januar zur Hälfte der Legislaturperiode für die EVP frei macht.

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