Gouverneur im Gazastreifen Amtsantritt unter Raketenbeschuss

GAZA · Man könnte es als Himmelfahrtskommando bezeichnen, was sich Abdallah Frangi vorgenommen hat. "Ich wusste, dass der Krieg kommt", sagt der 70-jährige Palästinenser, der seit Anfang Juli Gouverneur von Gaza-Stadt ist.

Sein Amtsantritt fand genau an dem Tag statt, an dem Israel in Reaktion auf den Raketenbeschuss der Hamas die Operation "Fester Fels" begann. Nun gehört es zu seinen Aufgaben, nach dem 50-tägigen Krieg den Wiederaufbau in der 600 000-Einwohner-Stadt zu koordinieren. "Im Nachhinein bereue ich nicht, dass ich das akzeptiert habe", erklärt er bei einem Gespräch in seiner Familienvilla.

In Deutschland ist Frangi ein bekanntes Gesicht, nachdem er rund drei Jahrzehnte die PLO von Jassir Arafat in Bonn und Berlin vertreten hat. Als Diplomat beherrscht er die Kunst, über Probleme und Meinungsverschiedenheiten oftmals einfach hinwegzulächeln. Die neue Aufgabe, die ihm Palästinenserpräsident Mahmud Abbas übergeben hat, ist immens. Nicht nur ist der Gazastreifen von Israel abhängig, auch der innerpalästinensische Konflikt hindert ihn, sich mit all seinen Kräften an die Arbeit zu machen.

Die radikalislamische Hamas hatte die von Abbas ernannten Gouverneure 2007 nach ihrem blutigen Putsch aus den Ämtern gejagt, weil sie der verfeindeten Fatah angehörten. Schrittweise hat Abbas seit April daran gearbeitet, dass seine gemäßigte Fatah wieder in Gaza die Regierungsgeschäfte übernimmt. Vergangene Woche tagte die palästinensische Einheitsregierung, der nur parteilose Experten angehören, erstmals in dem Küstenstreifen.

Frangi kam als Fünfjähriger mit seiner Familie nach dem ersten arabisch-israelischen Krieg 1948 aus der Negev-Wüste nach Gaza. Sein Vater war ein Beduinenscheich. "Ich liebe Gaza", sagt der Gouverneur, dessen Villa gegenüber dem UN-Hauptquartier liegt. Sein Büro hat er provisorisch in dem Privathaus eingerichtet. Hinter seinem Schreibtisch hängt ein Foto Arafats, der einen Jungen umarmt. Es ist sein Sohn Baschar, der 2011 mit 38 Jahren einem Herzinfarkt erlag. Mit Bewunderung erzählt er, dass der Sohn Arafat in Diskussionen die Stirn bot.

In seinen Bonner Jahren haben Frangi und seine deutsche Frau Benita in Meckenheim gewohnt. Jetzt hat er sie in Deutschland zurückgelassen - er hält es für zu gefährlich in Gaza. Der Student der Medizin und Politik war auch einmal militanter Kämpfer für die palästinensische Sache. Es blieb eine kurze Episode. 1967 schickte ihn die Fatah nach Israel, wo er bald in Gefangenschaft geriet. Nach einigen Monaten kehrte er in die Bundesrepublik zurück. Nach der blutigen Geiselnahme israelischer Sportler bei den Olympischen Spielen in München 1972 wurde Frangi vorübergehend von den deutschen Behörden ausgewiesen.

Was die Versöhnung von Fatah und Hamas angeht, ist der neue Gouverneur vorsichtig optimistisch. Beide Parteien haben die Einsetzung eines Komitees beschlossen, das die Blutrache außer Kraft setzen soll. Die Rolle von Zivilrichtern sollen Muchtars und Scheichs übernehmen.

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