Brexit Ärger um zweites Referendum in Großbritannien

LIVERPOOL · Die oppositionelle Labour-Partei ringt um ihren Kurs beim Brexit. Für die Europafreunde ist beim Parteitag in Liverpool bislang nicht viel dabei.

 EU-Skeptiker: Labour-Chef Jeremy Corbyn in Liverpool.

EU-Skeptiker: Labour-Chef Jeremy Corbyn in Liverpool.

Foto: AP

Während auf den Straßen Tausende Menschen mit wehenden EU-Flaggen gegen den Brexit demonstrierten, rangen, stritten und diskutierten die Delegierten der britischen Labour-Partei hinter verschlossenen Türen über einen Kompromiss. Wie sollen die Sozialdemokraten im Königreich mit der Brexit-Herausforderung umgehen?

Erst kurz vor Mitternacht am Sonntag und nach einer Marathon-Sitzung stieg dann weißer Rauch über dem Konferenzzentrum in Liverpool auf. Gewerkschaftsvertreter, Parteimitglieder und Schattenminister hatten sich auf eine Resolution geeinigt, mit der sich Labour die Option eines erneuten Referendums offenhält.

Während Brexit-Gegner zunächst positiv auf den Kompromiss reagierten, wurden ihre Hoffnungen schnell enttäuscht. Denn: Zum einen wurde die Forderung nach einer zweiten Volksabstimmung nicht zur offiziellen Parteilinie erklärt. Zum anderen soll es nur eine erneute Befragung geben, wenn sich eine vorgezogene Parlamentswahl als unmöglich erweist. Als oberste Priorität legte die Opposition bereits zum Start des viertägigen Treffens rasche Neuwahlen fest.

Die innerparteilichen Streits über den richtigen Umgang beim Thema Brexit dauern derweil weiter an. Am Dienstag soll über den vorgelegten Antrag abgestimmt werden. Das für viele Europafreunde Prekäre an dem Kompromissvorschlag: Ein Verbleib Großbritanniens in der EU soll im Falle eines zweiten Referendums nicht zur Wahl stehen, wie Schattenkanzler John McDonnell mehrmals betonte. Vielmehr würde es um die Frage gehen, ob der noch von der Regierung auszuhandelnde Deal angenommen wird oder ob die Politik zu Nachverhandlungen zurück nach Brüssel geschickt werden sollte, was soviel heißt wie kein Abkommen.

Das Votum der Wähler vom Juni 2016 müsse respektiert werden, so McDonnell. Enttäuschung und Wut verbreitete sich dagegen im proeuropäischen Lager. Tausende seien auf die Straße gegangen und Millionen Menschen forderten eine Volksbefragung, befand der Labour-Abgeordnete David Lammy. „Das tun sie nicht, um dann ein lächerliches Referendum über keinen Deal oder einen schlechten Deal angeboten zu bekommen.“

Der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn aber lehnt bislang ein erneutes Referendum ab, zu groß ist die Sorge, Wähler zu verprellen. Der lebenslange EU-Skeptiker versprach aber in mehreren Interviews, sich dem Willen der Delegierten zu beugen. Ob die ausgehandelte und äußerst schwammige Resolution in dieser Form verabschiedet wird, bleibt abzuwarten. Etliche proeuropäische Aktivisten, Mitglieder und Wähler wiesen den Vorschlag, der eigentlich zur Befriedung der parteiinternen Grabenkämpfe gedacht war, empört ab.

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