US-Regierung Verteidigungsminister ist das letzte Bollwerk gegen Trump

Washington · Verteidigungsminister James Mattis hat es zum stillen Star in der US-Regierung gebracht. Wie er das bewerkstelligt, erklärt der GA.

 Kriegermönch: So wird der Vier-Sterne-General James Mattis wegen seiner Lieber zur Literatur genannt. FOTO:DPA

Kriegermönch: So wird der Vier-Sterne-General James Mattis wegen seiner Lieber zur Literatur genannt. FOTO:DPA

Foto: picture alliance / Carolyn Kaste

Es gibt ernst zu nehmende Menschen in Washington, die James Mattis gleich morgen den Friedensnobelpreis verleihen würden. Die Begründung, wie man sie zur Happy Hour in Denkfabriken der amerikanischen Hauptstadt hören kann, geht ungefähr so: Mit seinem „nimmermüden Eintreten für Diplomatie“ und seinem „tiefen Wissen um die Empfänglichkeiten“ seiner wichtigsten Bezugsperson, Donald Trump, habe der Verteidigungsminister einen „unschätzbaren Beitrag“ geleistet, den „unberechenbaren Präsidenten“ von verhängnisvollen militärischen Abenteuern abzuhalten.

Zuletzt war diese Gabe im Syrien-Konflikt zu besichtigen. Dort verlor der hoch angesehene Vier-Sterne-General nach Ansicht von Militärstrategen „vielleicht eine Schlacht“: Trump ignorierte vor den Strafangriffen auf die Chemiewaffen-Labore von Diktator Baschar-al-Assad die von Mattis geforderte parlamentarische Absicherung durch den Kongress. Aber er gewann „den ersten Krieg“: Trump und sein neuer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton hatten sich einen Breitband-Militärschlag gewünscht. Es war maßgeblich Mattis, der darin den Einstieg in eine Eskalation mit Russland erkannte und sich mit seinem Gesuch für drei eng kalibrierte Ziele am Ende durchsetzte.

Und zwar so, dass der 67-Jährige, als der unangefochtene Star im Kabinett gilt. Weil er etwas geschafft hat, was sonst niemandem gelingt: Trump Paroli zu bieten, ohne dass der Chef dies als Majestätsbeleidigung empfindet – was früher oder später unter der politischen Guillotine endet. Siehe Außenminister Rex Tillerson, siehe Ex-Sicherheitsberater H.R. McMaster, den Trump auf der Sicherheitskonferenz in München im Februar global vernehmbar zurückpfiff. Mit Mattis erlaubt sich der Präsident so etwas nicht.

Noch nicht, sagen Kritiker, denn die „härteste Prüfung“ stehe noch aus: Mitte Mai wird Trump über den Fortbestand des Atomabkommens mit dem Iran entscheiden. Er verlangt erhebliche Nachbesserungen. Andernfalls steige er aus. Trump hält das Abkommen, das den Iran vom Bau einer Atomwaffe abhalten soll,für eine Wellness-Kur für das Mullah-Regime. Mattis dagegen will, den Vertrag aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ beibehalten.

Wie Mattis hier seinen Einfluss in die Wagschale werfen wird, ist nicht bekannt. Schon bei anderen Meinungsverschiedenheiten bewegte sich der Militär, der wegen seiner Liebe zur Literatur Kriegermönch („warrior monk“) genannt wird, ausschließlich im Hintergrund. Trump hatte das Pariser Klima-Abkommen nach Amtsantritt schnell abgehakt und den Ausstieg vorbereitet - Mattis sieht in der fortschreitenden Erderwärmung einen strategischen Faktor, der irgendwann über Krieg und Frieden entscheiden kann und möchte drin bleiben. Trump wollte lange vor der jetzt eingeläuteten Entspannungsphase mit Nordkorea militärische Konzepte für einen Militärschlag gegen das kommunistische Regimes - Mattis weigerte sich und betonte gebetsmühlenartig, dass der Diplomatie Vorrang gegeben werden müsse. Trump stellte noch vor drei Wochen in den Raum, dass der Islamische Staat in Syrien weitgehend bezwungen sei und die 2000 US-Soldaten dort beizeiten nach Hause geholt werden könnten - Mattis warb für ein längerfristiges Engagement.

James Mattis hat es sich zur Pflicht gemacht, niemals öffentlich so gegen Trump zu punkten, dass der sich in seinem Allmachtsanspruch angegriffen fühlt. Darum sieht man ihn auch so gut wie nie im Fernsehen. Niemals würde dem gelernten Historiker und Politikwissenschaftler selbst in Hintergrundgesprächen mit Journalisten auch nur ein geringschätziges Wort über Trump über die Lippen kommen, der ihn ganz offenkundig bewundert. Und der ihm jeden Wunsch erfüllt. Die zehnprozentige Budget-Erhöhung für das Pentagon (es geht um über 100 Milliarden Dollar zusätzlich) hat Mattis dem Commander-in-Chief mit Leichtigkeit abgeschwatzt.

Der im Irak-Krieg wegen seines resoluten Auftretens „mad dog“ (tollwütiger Hund) genannte General verfährt dabei dialektisch. Sein Tenor: „Je mehr ihr das Außenministerium ausdünnt, um Konflikte zu lösen, bevor sie entbrennen, desto mehr Munition muss ich kaufen.“ Dass er mit Trump bisher noch nie vernehmbar aneinandergeraten ist, führt die „Washington Post“ auf Mattis hohe soziale Kompetenz zurück. So destilliere der Minister aus den irrlichternden Analysen Trumps zur Weltlage („ein einziges Chaos“) oft die „emotionale Essenz“ und trimme das Filtrat dann auf ein Niveau, das etwa das Völkerrecht wahrt und für den Präsidenten keinen Gesichtsverlust bedeutet.

Bisher verlässt sich Trump auf Mattis, gibt ihm sogar freie Hand, etwa bei der Kriegsführung im Jemen und in Somalia. Ob das so bleibt, muss sich angesichts der neuen Personalien - Mike Pompeo (Außenministerium), John Bolton(Sicherheitsberater) - erst noch zeigen. Beide bedienen gerne die kriegstreiberischen Impulse Trumps. Beide fühlen sich als Präsidenten-Erklärer im Scheinwerferlicht ausgesprochen wohl. Mattis verkörpert das Gegen-Modell: Still, im Hintergrund moderierend, und in engstem Austausch mit Partnern und Verbündeten in aller Welt. Zwischendurch sagte er Sätze, die wie in Stein gemeißelt klingen. „Was lässt sie nachts wach bleiben?“, wurde Mattis in einem TV-Interview gefragt. Antwort: „Nichts. Ich sorge dafür, dass andere nachts nicht schlafen können.“ Donald Trump ist bis heute begeistert.

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