Konflikte Entsetzen über Bomben auf syrische Flüchtlinge

Damaskus · Rund 30 Menschen sterben durch Bomben auf ein Flüchtlingslager im Nordwesten Syriens. Menschenrechtler sehen ein mögliches Kriegsverbrechen. Die Konfliktparteien beschuldigen sich gegenseitig.

 Das russische Militär patrouilliert in der syrischen Stadt Hmeimym. Die Waffenruhe war nach Wochen der Gefechte auch auf Aleppo ausgeweitet worden. Diese hielt zunächst. Doch im Norden des Landes und in der Türkei wurden Flüchtlingscamps angegriffen.

Das russische Militär patrouilliert in der syrischen Stadt Hmeimym. Die Waffenruhe war nach Wochen der Gefechte auch auf Aleppo ausgeweitet worden. Diese hielt zunächst. Doch im Norden des Landes und in der Türkei wurden Flüchtlingscamps angegriffen.

Foto: Sergei Chirikov/Symbolbild

Der verheerende Luftangriff auf ein Flüchtlingslager im Nordwesten Syriens mit rund 30 Toten hat international scharfe Kritik und Entsetzen ausgelöst. Die Bundesregierung verurteilte die Bombardierung scharf.

"Wer so handelt, gefährdet alle Grundlagen einer friedliche Lösung des Konflikts", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts. Syriens Opposition machte das Regime für den Angriff verantwortlich. Russland beschuldigte hingegen die radikale Al-Nusra-Front, den syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.

Bei dem Angriff auf das Flüchtlingslager Kammuna waren am Donnerstag nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens 28 Menschen ums Leben gekommen, darunter Kinder. Rettungshelfer vor Ort meldeten mehr als 30 Tote und 80 Verletzte. Videos, die die Opposition und Aktivisten im Internet verbreiteten, zeigten verkohlte Leichen und niedergebrannte Zelte.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, kündigte eine Untersuchung an. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass die Angriffe nur ein zufälliger Unfall gewesen seien, sagte er. "Es ist viel wahrscheinlicher, dass sie beabsichtigt waren und einem Kriegsverbrechen gleichkommen." Die UN würden hart daran arbeiten, die Luftangriffe zu untersuchen. "Wir werden nichts unversucht lassen", um Beweise zu sammeln", sagte al-Hussein. Auch UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien zeigte sich entsetzt.

Zunächst gab es keine unabhängigen Erkenntnisse darüber, wer für den Luftangriff verantwortlich ist. Syriens Opposition machte das Regime für die Bombardierung verantwortlich. Syriens Militär und sein Verbündeter Russland wiesen hingegen jeden Verantwortung für den Luftangriff zurück. Russische Flugzeuge seien in der Region nicht unterwegs gewesen, sagte Generalmajor Igor Konaschenkow in Moskau.

Er beschuldigte vielmehr die radikale Al-Nusra-Front. "Nach dem Grad der Zerstörungen, die auf Fotos und Videos zu sehen sind, könnte der Beschuss durch Mehrfachraketenwerfer absichtlich oder versehentlich erfolgt sein - und zwar durch die Al-Nusra-Front, die in diesem Gebiet aktiv ist", sagte Konaschenkow. Rettungshelfer vor Ort hatten dagegen berichtet, Jets hätten zwei Angriffe geflogen. Sie verbreiteten dazu ein Video, auf dem deutlich ein Flugzeug zu hören ist.

Das Lager liegt in der Provinz Idlib, die bisher im wesentlichen von Syriens Luftwaffe und ihrem engen Verbündeten Russland angegriffen wurde. Die US-geführte internationale Koalition ist normalerweise weiter im Osten gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Einsatz. Syriens Opposition besitzt keine Luftwaffe.

Laut den Menschenrechtsbeobachtern gehört das Lager zu einer Region unter Kontrolle der Al-Nusra-Front. "Dies gibt aber niemandem das Recht, Zivilisten anzugreifen, wo auch immer sie sich aufhalten", sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman.

Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, erklärte, es gebe keine Rechtfertigung für einen solchen Angriff auf Zivilisten. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach von einer schweren Verletzung humanitären Völkerrechts.

Der Luftangriff erschwert internationale Bemühungen um eine Rückkehr zu einem landweiten Waffenstillstand. Erst in dieser Woche hatten sich die USA und Russland auf eine neue Feuerpause für die schwer umkämpfte nordsyrische Stadt Aleppo geeinigt, nachdem die Gewalt dort in den vergangenen zwei Wochen eskaliert war. Aus Protest gegen den Anstieg der Gewalt hatte Syriens Opposition die ins Stocken geratenen Genfer Friedensgespräche mit Vertretern des Regimes verlassen.

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