Porträt Nicolas Sarkozy Sarkozy, der Gallier

Paris · Der Satz sollte patriotisch klingen, stolz und geschichtsbewusst. Doch Historiker zerlegen seinen Inhalt gnadenlos – und beweisen, dass es entweder mit Nicolas Sarkozys Grundkenntnissen nicht weit her ist. Oder dass sich der französische Ex-Präsident nicht darum schert, wie belastbar seine Aussagen sind – Hauptsache, sie bleiben hängen.

 „Wer Franzose werden will, hat Französisch zu sprechen": Nicolas Sarkozy.

„Wer Franzose werden will, hat Französisch zu sprechen": Nicolas Sarkozy.

Foto: AFP

„Wer Franzose werden will, hat Französisch zu sprechen und wie ein Franzose zu leben“, erklärte er nun bei einer Wahlveranstaltung. „Wir geben uns nicht mehr mit einer Integration zufrieden, die nicht funktioniert, wir fordern die Assimilierung. Sobald Sie Franzose werden, sind Ihre Vorfahren Gallier!“ Das sei auch bei ihm selbst so, dem Sohn eines Ungarn und Enkel eines Griechen.

Gallier – die Vorfahren der Franzosen? „Wenn es nicht ein ehemaliger Präsident wäre, der das behauptet, wäre es meine erste Reaktion zu lächeln“, sagt der Historiker Jean-Paul Demoule. „Aber es handelt sich um Manipulation und Unkenntnis der Geschichte zugleich.“

Die heutige französische Bevölkerung sei das Ergebnis einer permanenten Durchmischung – von den Einwanderern aus dem Nahen Osten über die Griechen, Römer und Franken bis zu den Westgoten, Wikingern und Arabern... Beim Konzept eines einzigen „gallischen“ Ursprungs handle es sich um einen Mythos, den sich üblicherweise die extreme Rechte zunutze mache.

Schon immer pflegte Sarkozy das Image eines innenpolitischen Hardliners. Als Präsident schuf er ein Ministerium für „Immigration, Integration und nationale Identität“ und stellte in seiner markanten „Rede von Grenoble“ einen direkten Zusammenhang zwischen Einwanderung und Kriminalität her. Indem er Themen des rechtsextremen Front National aufgreife, verhindere er dessen Aufstieg, argumentierte Sarkozy stets. In Wahrheit machte er dessen Thesen salonfähig – und unter Rechtspopulistin Marine Le Pen wurde der Front National erfolgreich wie nie.

Dennoch bleibt der Ex-Staatschef seiner Linie treu. Um bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 als Kandidat der konservativen Republikaner antreten zu können, muss er die parteiinternen Vorwahlen gewinnen. Als schärfster Rivale gilt der frühere Premierminister Alain Juppé, der mit seiner moderaten Weltanschauung die Mitte anspricht und selbst bei Linkswählern ankommt.

Doch angesichts der jüngsten Terroranschläge und der weiterhin bestehenden Anschlagsgefahr verfangen Sarkozys Warnungen vor einer „Tyrannei der Minderheiten“ und der „schwarzen Pest“, der er den „totalen Krieg“ erkläre, zunehmend. Er macht sogar Vorschläge, die kaum mit der französischen Verfassung vereinbar wären, wie das präventive Wegsperren von Terrorverdächtigen ohne Verurteilung.

Inzwischen klingt er radikaler als Marine Le Pen, die wiederum zur Besonnenheit aufruft. Zwar bleibt der ideologische Kern des Front National unverändert, der für einen Anti-Europa-Kurs und „Einwanderungs-Stopp“ steht. Aber die Wortwahl wird abgemildert, um das Image einer intoleranten, demagogischen Partei abzulegen. Le Pens Strategie der „Entteufelung“ war zuletzt nicht mehr vereinbar mit den Provokationen ihres Vaters, des Rassisten Jean-Marie Le Pen – mit ihm hat sie gebrochen.

Auf den jüngsten Plakaten erschien nicht mehr der Name und das Flammen-Logo des Front National. Stattdessen wirbt Marine Le Pen nun mit ihrem Motto eines „besänftigten Frankreichs“ („La France apaisée“). Die Töne sind neu – nicht aber der Inhalt.

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