Sitzung mit leeren Stühlen Neue Runde im Katalonien-Streit

Barcelona · Für die Unabhängigkeitsgegner geht der katalanische Albtraum 2018 weiter. Aber auch die Separatisten stehen vor Herausforderungen. Bei der ersten Parlamentssitzung blieben die Stühle der inhaftierten oder geflohenen Politiker leer. Die Frage: Darf man aus dem Exil regieren?

 Puigdemont war Ende Oktober als Regionalpräsident abgesetzt worden.

Puigdemont war Ende Oktober als Regionalpräsident abgesetzt worden.

Foto: Virginia Mayo/Archiv

Mit dem neuen Jahr ist in Katalonien das Tauziehen um die Unabhängigkeitsbestrebungen der Krisenregion in die nächste Runde gegangen.

Nach der Neuwahl vom 21. Dezember, bei der die separatistischen Parteien sehr zum Unmut Madrids erneut eine Mehrheit errungen hatten, kam das Parlament am Mittwoch in Barcelona zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Dabei stand gleich eine richtungsweisende Entscheidung an: die Wahl des Parlamentspräsidenten. Das Rennen machte Roger Torrent von der linksnationalistischen Partei ERC.

Der 38-Jährige, der mithilfe der separatistischen Lager ins Amt kam, hat anders als viele andere Abgeordnete bisher keinen Ärger mit der Justiz. Der Politiker gilt als Shooting Star der Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) und war zuvor Bürgermeister in der katalanischen Kleinstadt Sarrià de Ter.

Bei der Sitzung waren nur 127 der insgesamt 135 Abgeordneten anwesend. Drei separatistische Politiker sitzen in U-Haft, fünf weitere - darunter Ex-Regionalchef Carles Puigdemont - hatten sich nach Brüssel abgesetzt, um einer Festnahme zu entgehen. Allen wird Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen. Auf den leeren Sitzen prangten große gelbe Schleifen - in Katalonien sind sie Symbol für die Solidarität mit den Inhaftierten und Geflohenen.

Torrent erklärte, die Wahl sei eine "große Ehre" und er sei sich der großen Verantwortung des Postens bewusst. Tatsächlich muss er nun wichtige Entscheidungen fällen.

Dabei geht es zunächst darum, ob Puigdemont - den seine Liste Junts per Catalunya und die ERC erneut als Regionalchef vorschlagen wollen - auch im Ausland sein Amt antreten dürfte. Genau geregelt ist dies bisher nicht, da niemand eine solche Notwendigkeit in Betracht gezogen hatte. Die Rechtsabteilung des katalanischen Parlaments urteilte aber zuletzt, dass eine Ernennung per Videokonferenz, wie Puigdemont sie angekündigt hatte, nicht zulässig sei. Der Kandidat müsse physisch präsent sein, betonten sie. Setzt Puigdemont aber Fuß auf spanischen Boden, droht ihm die sofortige Festnahme.

Ob Torrent der Auffassung der Juristen folgen wird? In der vergangenen Woche hatte er erklärt, die Interpretation der Regeln obliege nicht seiner Partei, sondern der Rechtsabteilung. Dies würde bedeuten, dass er sich gegen den Pakt stellen müsste, den die beiden großen separatistischen Parteien in puncto Puigdemont geschlossen haben. Der erste Wahlgang soll bis zum 31. Januar stattfinden.

Ministerpräsident Mariano Rajoy hat bereits deutlich gemacht, dass seine Regierung vor das Oberste Gericht ziehen will, sollte Puigdemont versuchen, von Brüssel aus ins Amt zu kommen. Auch werde er in diesem Fall die Zwangsverwaltung, unter die er die Krisenregion im Herbst gestellt hatte, weiter aufrecht erhalten. Körperliche Anwesenheit im Parlament sei eine Frage "des Realismus und des gesunden Menschenverstands", so Rajoy.

Noch deutlicher wurde der sozialistische Ex-Regierungschef Felipe González (1982-1996). Der 75-Jährige sagte, auch wenn die Frage rechtlich nicht genau geklärt sei, könne dies kein Grund sein, Puigdemont zum Regionalchef zu machen. "Das ist ein Witz. Da könnten wir ja auch einen Elefanten als Präsidenten vorschlagen, weil die Regeln dies nicht verbieten."

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