Kommentar zur Regierungsbildung in Großbritannien Nach der Party

Meinung | London · Kleverer Schachzug: Theresa May macht drei führende Brexit-Vertreter dafür verantwortlich, die Details der Scheidung von der EU auszuhandeln. Sie sollen den Scherbenhaufen abtragen, den sie selbst aufgehäuft haben.

Noch rätseln die Beobachter auf der Insel, welche Station auf seinem Lebenslauf Boris Johnson als Außenminister empfahl. Man kann dem früheren Bürgermeister nämlich viele Attribute zusprechen. Unterhaltsam ist der Zausel, rhetorisch brillant und volksnah ebenfalls. Nur als Diplomat ist er nie in Erscheinung getreten.

Im Gegenteil. Kaum einen Fehltritt, kaum ein Fettnäpfchen ließ der Sprücheklopfer aus, wenn es um außenpolitische Angelegenheiten ging oder er zu Spitzenpolitikern fernab der Insel Stellung bezog. Die Beleidigungen reichten zuweilen so weit, dass sie kleine diplomatische Krisen auslösten. Peinlich waren sie allemal. Jetzt lacht keiner mehr.

Theresa May agiert pragmatisch, überlegt und sachlich. Sie weiß, wen sie sich mit Johnson ins Kabinett geholt hat. Dabei wird er nur eine untergeordnete Rolle bei den Verhandlungen mit der EU spielen, da der Brexit-Minister David Davis die Details der Scheidung koordinieren soll. Liam Fox ist für die Ausgestaltung der internationalen Handelsbeziehungen zuständig. Dass alle drei Herren, die künftig die schwierigen Verhandlungen mit der EU sowie mit dem Rest der Welt führen müssen, aus dem Brexit-Lager stammen, ist geschickt.

Sie haben monatelang mit absurden Versprechen, Halbwahrheiten und einem Schmierentheater das halbe britische Volk gegen die EU aufgehetzt und ein Paradies außerhalb der Gemeinschaft aufgemalt. Jetzt hat May ihnen die Verantwortung übergeben, den Scherbenhaufen abzutragen, den sie nach der völlig ausgearteten Party hinterlassen haben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Der Kaiser ist nackt
Kommentar zu Donald Trump Der Kaiser ist nackt
Zum Thema
Aus dem Ressort