Merkel fordert Geschlossenheit Die EU erwartet nach Mays Brexit-Rede harte Verhandlungen

London/Brüssel · Wie soll die EU auf die Schmeicheleien und Drohungen der britischen Premierministerin reagieren? Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht harte Arbeit vor sich. Merkel mahnt zur Geschlossenheit.

 Die britische Premierministerin Theresa May erreicht nach der Rede zum Brexit ihren Amtssitz in der Londonerr Downing Street.

Die britische Premierministerin Theresa May erreicht nach der Rede zum Brexit ihren Amtssitz in der Londonerr Downing Street.

Foto: Matt Dunham

Bekenntnisse zu einer engen Partnerschaft gingen einher mit Drohungen, sollte die EU Großbritannien im Bemühen um ein umfassendes Freihandelsabkommen Steine in den Weg legen.

"Das werden sehr, sehr, sehr schwierige Verhandlungen", kommentierte der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Man wolle einen Deal, der sowohl für Großbritannien als auch für die EU fair sei. "Ich für meinen Teil werde alles dafür tun, dass diese Verhandlungen zu einer ausgewogenen Lösung führen", sagte Juncker vor dem Europaparlament in Straßburg. Es werde aber nicht leicht sein, die Vorstellungen beider Seiten unter einen Hut zu bringen - auch weil Großbritannien von der EU als "Drittstaat" behandelt werde müsse.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die 27 EU-Länder zu Geschlossenheit bei den Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien auf. "Das A und O ist, dass sich Europa nicht auseinanderdividieren lässt", sagte Merkel nach einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni in Berlin. Ihr sei an diesem Punkt aber "nicht bange, dass wir da nicht zusammenhalten".

Gentiloni betonte, May habe ein bisschen "Butter bei die Fische" gegeben. Auch Italien setze auf eine solidarische Haltung der EU-Länder und wolle die Freundschaft mit Großbritannien fortsetzen. Wichtig sei gewesen, dass May die britische Verbundenheit zu den Allianzen auf internationaler Ebene bekräftigt habe, unterstrich Gentiloni.

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok warnte Großbritannien davor, die eigene Rolle zu überschätzen. "Ich habe auch manchmal bei Passagen der Rede von Theresa May das Gefühl, dass man immer noch in Vorstellungen einer Weltmacht ist , die Großbritannien nicht mehr ist", sagte Brok am Mittwoch dem Nachrichtensender n-tv.

Juncker begrüßte, dass May, "einige Dinge klargestellt" habe, erinnerte aber auch daran, dass die Verhandlungen über einen Austritt erst beginnen könnten, wenn London das nach Artikel 50 der EU-Verträge notwendige Austrittsgesuch einreiche. Die britische Regierung hat das Schreiben erst für Ende März angekündigt.

Die maltesische EU-Ratspräsidentschaft kündigte an, dass vermutlich vier bis fünf Wochen nach dem Austrittsgesuch ein Sondergipfel der verbleibenden EU-Staaten organisiert werde, um die Verhandlungsstrategie für die Union festzulegen.

Noch im Januar steht eine weitere wichtige Brexit-Entscheidung an. Das höchste britische Gericht muss klären, ob das Parlament seine Zustimmung geben muss, bevor die Regierung den EU-Austritt förmlich bekannt gibt. May will die Scheidung von der EU bis Ende März in Brüssel einreichen. Sollten die Parlamentarier mitbestimmen dürfen, könnte das den Zeitplan durcheinanderbringen. Ein genauer Termin für das Gerichtsurteil steht noch nicht fest.

Weitere Infos

  • Die Bundesrepublik lieferte 2015 Waren im Wert von rund 89 Milliarden Euro nach Großbritannien - mehr als sieben Prozent aller deutschen Ausfuhren. Begehrt sind vor allem Autos und Autoteile, Maschinen und Pharmaerzeugnisse.

Umgekehrt importierte Deutschland aus Großbritannien Waren im Wert von 38,4 Milliarden Euro. Das bedeutet Rang 9 im Ländervergleich. Ganz oben bei den Einfuhren stehen Autos- und Autoteile, weitere Fahrzeuge, Maschinen und Erdöl. Da die deutschen Ausfuhren auf die Insel die Einfuhren aus Großbritannien bei weitem übertrafen, bestand ein großer Handelsüberschuss zugunsten Deutschlands.

2500 deutsche Firmen haben laut der deutsch-britischen Industrie- und Handelskammer Niederlassungen auf der Insel. Investitionen deutscher Unternehmer sind dem britischen Außenminister Boris Johnson zufolge für 344 000 Jobs in Großbritannien verantwortlich. Umgekehrt sorgten britische Investitionen für 222 000 Jobs in Deutschland.

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