Präsidentschaftswahl Frankreich Jubel bei Macron, gedämpftes Triumphgefühl bei Le Pen

Paris · Erstmals ziehen mit dem unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron und Rechtspopulistin Marine Le Pen zwei Politiker in die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahl ein, die nicht den etablierten Volksparteien entstammen – es ist eine bittere Klatsche für Republikaner und Sozialisten.

 Der sozialliberale Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen treten in der Stichwahl gegeneinander an.

Der sozialliberale Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen treten in der Stichwahl gegeneinander an.

Foto: dpa

Emmanuel Macrons Anhänger warteten nicht noch brav ab, bis es 20 Uhr war. Schon vor der offiziellen Verkündigung des Wahlergebnisses hatte die für sie so frohe Kunde gestern Abend die Runde in der Halle auf dem größten Messegelände von Paris gemacht: Ihrem Kandidaten war als erste Kraft mit knapp 24 Prozent der Stimmen der Sprung in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl gelungen.

Er könnte damit sogar bereits unmittelbar vor dem Sieg stehen. In lautem Jubel brach sich der Enthusiasmus seiner Unterstützer Bahn, Frankreich- und vereinzelte Europa-Flaggen schwenkten in der Luft. Dass diesem Politik-Neuling, der gerade einmal vor einem Jahr, damals noch als Wirtschaftsminister, seine eigene Partei „En Marche!“ („In Bewegung!“) gegründet hatte, ein solcher Aufstieg vorbei an den etablierten Parteien gelingt, erschüttert Frankreichs politische Landschaft. „In einem Jahr haben wir das Gesicht der französischen Politik verändert“, erklärte Macron am Abend sichtlich berührt.

Seine Anhänger forderte er auf, Mut und Optimismus, die sie trugen, zu bewahren: Er wolle nun alle Franzosen zusammenbringen, gegen die Nationalismen, „für unser Land und für Europa“.

Ausschreitungen in Frankreich nach den ersten Hochrechungen
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Der 39-Jährige will für einen Neuanfang stehen, das linke und das rechte Lager im Zentrum zusammenführen. Er hat angekündigt, auch mit Personen aus der Zivilgesellschaft regieren zu wollen, eine „Umwandlung“ und Moralisierung bisheriger Praktiken erreichen.

Macron profitierte aber auch von der Schwäche der sozialistischen Partei, die nach fünf Jahren unter Präsident François Hollande zutiefst gespalten war und in Vorwahlen mit Benoît Hamon einen linken Außenseiter gewählt hatte. Mit rund sechs Prozent fuhr er ein äußerst enttäuschendes Ergebnis ein. Gestern Abend äußerte sich Hamon als erster aller Bewerber mit einer klaren Ansage: „Ich rufe zur Wahl von Emmanuel Macron auf, um den Front National zu schlagen.“ Zahlreiche Politiker verschiedenster Lager sollten folgen und Macron eine wichtige Unterstützer-Basis für die nächsten zwei Wochen bereiten.

Viele Prozentpunkte verlor der Sozialist Hamon an den Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon. Der 65-Jährige riss mit seinen Forderungen nach einer radikalen Umverteilung von Wohlstand und einem Abschied Frankreichs aus der EU und der Nato zwar viele Franzosen mit. Dass er auch verantwortungsbewusst regieren kann, trauten sie dem wortgewaltigen Volkstribun aber dann doch nicht zu.

Während der vierte Platz für Mélenchon knapp hinter dem Republikaner François Fillon ein Erfolg ist, wirkte Marine Le Pens Strahlen gestern Abend erzwungen. Im nordfranzösischen Städtchen Hénin-Beaumont, einer Hochburg des Front National und fernab von Paris als Hauptstadt der verhassten Eliten, jubelten ihre Anhänger etwas verhalten. Lange war Le Pen in Umfragen der erste Platz vorausgesagt worden – der zweite Rang hinter Macron mit nur knapp 22 Prozent der Stimmen ist eine Enttäuschung, die sie sich nicht anmerken lassen wollte: „Dieses Resultat ist historisch“, erklärte die Rechtspopulistin in gewohnt kämpferischem Ton und versprach, „das französische Volk von den arroganten Eliten zu befreien“.

Tatsächlich war der Front National nie so stark. Le Pen übertrifft ihr eigenes Ergebnis der Wahl 2012 deutlich, als sie noch an dritter Position landete. Auch die 48-Jährige ihren Vater Jean-Marie Le Pen, der 2002 überraschend mit knapp 18 Prozent der Stimmen die zweite Runde der Präsidentschaftswahl erreichte. Er profitierte damals von der Zerstrittenheit und dem Vertrauensverlust der großen Volksparteien – wie nun seine Tochter.

Besonders bitter bekamen diese Entwicklung die Republikaner zu spüren. Bei François Fillon wollte man gestern zwar bis zuletzt mit aller Macht daran glauben, dass ein Sieg noch möglich war – so wie er die innerparteiliche Kandidatenkür überraschend für sich entschieden hatte. Der konservative Bewerber hatte ein Kongress-Zentrum im schicken 16. Arrondissement von Paris angemietet für einen großen Feier-Abend mit Anhängern – die dann ausfiel. Stattdessen waren die Gesichter lang.

Offensichtlich hatten die Vorwürfe wegen Scheinbeschäftigung seiner Frau und Kinder Fillons Image doch zu nachhaltig geschadet. „Diese Niederlage ist die meinige, ich übernehme die volle Verantwortung“, erklärte er in einer kurzen Ansprache, um anzufügen, eines Tages werde noch die „Wahrheit dieser Wahl geschrieben“. Er rief zur Wahl Macrons auf, um Le Pen zu verhindern, ebenso wie die Mehrheit seiner Parteifreunde. Ein neuer Wahlkampf begann gestern Abend, der mit der Stichwahl am 7. Mai endet.

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