Kommentar zum Ende der Griechenlandhilfe Gemeinschaftswerk

Meinung | BONN · Mit den Krediten für Griechenland hat Deutschland sogar ein Plus eingefahren. Das ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, ist gut, findet GA-Korrespondentin Birgit Marschall.

 Ein Flaggenverkäufer liest Zeitung.

Ein Flaggenverkäufer liest Zeitung.

Foto: dpa

Die Euro-Gruppe der Finanzminister hat am Donnerstag eine historische Entscheidung getroffen: Griechenland soll nach acht Jahren heftiger Auseinandersetzungen und Zitterpartien endlich aus dem Rettungsprogramm entlassen werden. Ab dem 21. August kann Athen wieder sein eigener Herr sein.

Aus Anlass dieses Tages hat Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler eine Nachricht geschickt platziert: Deutschland hat von der Griechenland-Rettung bisher finanziell profitiert, weil es für Hilfskredite und aus den früheren Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank Zinsgewinne in Höhe von etwa 2,9 Milliarden Euro erwirtschaften konnte. Dieser Befund ist richtig, und es ist auch gut, ihn in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Denn nach allgemeiner Auffassung hat Deutschland ja an Griechenland schon längst Abermilliarden verloren. Das stimmt so definitiv nicht.

Rein rechnerisch hat Deutschland für Hilfskredite zwischen 2010 und Mitte 2018 an Griechenland von insgesamt gut 70 Milliarden Euro die Haftung übernommen. Das entspricht einem guten Viertel der Leistungen der Euro-Gruppe und der EZB von insgesamt etwa 285 Milliarden Euro für Griechenland aus allen Rettungsprogrammen. Sollte Griechenland diese Summe oder Teile davon in den kommenden Jahrzehnten nicht tilgen, könnte wirklich Geld verloren sein, sogar viel Geld. Das maximale Risiko für den deutschen Steuerzahler liegt theoretisch bei diesen gut 70 Milliarden Euro.

Doch dieses Ausfallrisiko zahlt sich aus: Deutschland hat damit Stabilität erkauft, die für seine Volkswirtschaft existenziell wichtig war. Berlin hat maßgeblich geholfen, den Euro als Gemeinschaftswährung zu erhalten. Das Risiko eines Zusammenbruchs des Währungsraums war 2010 und in den Folgejahren groß.

Ob es zu Tilgungsausfällen kommt, können nur künftige Regierungen entscheiden. Fest steht, dass die Euro-Finanzminister Griechenland nochmals ein Sicherheitspolster mit auf den Weg geben. Athen wird aus dem laufenden 86-Milliarden-Euro-Rettungsprogramm, das bisher nur etwa zur Hälfte ausgeschöpft worden ist, etwa zehn bis zwölf Milliarden Euro als letzte Tranche erhalten. Zudem wird die Rückzahlung der europäischen Hilfskredite, die aktuell 2023 beginnen soll, voraussichtlich um zehn Jahre bis 2033 nach hinten geschoben. Athen wird also erst dann beginnen müssen zu tilgen.

Griechenland genießt damit eine Sonderbehandlung. Kein anderes Euro-Land hat derart viel Hilfe und so viel Entgegenkommen erhalten. Im Gegenzug hat aber auch kein anderes Euro-Land so hohe Anpassungsleistungen vollbringen müssen. Die Griechenland-Rettung ist ein echtes Gemeinschaftswerk der Währungsgemeinschaft – und sie sollte sie an diesem historischen Tag auch entsprechend feiern.

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