Das ABC des Klimawandels Die Klimaphysik kennt keine Kompromisse

Bonn · Mit der 24. UN-Klimakonferrenz gibt es noch einen Gipfel zur Rettung des Erdklimas. Diesmal im Kohleland Polen. Es geht unter anderem um die Lage an sich, das schlimmste Risiko und die Rettungsoptionen um "Fünf nach Zwölf". Wir liefern ein ABC der Fakten und Begriffe.

 Eine Arche Noah des 21. Jahrhunderts: Bewohner von Jeram Perdas im Norden Malaysias flüchten vor extremen Monsunfluten mit ihren Habseligkeiten auf eine Anhöhe. Die Prognosen zum Meeresspiegelanstieg wurden in den letzten Jahren immer weiter nach oben korrigiert. Die Vorhersage-Linie für den schlimmsten Fall stieg von 59 Zentimetern (2007) auf inzwischen 2,5 Meter bis zum Jahr 2100.

Eine Arche Noah des 21. Jahrhunderts: Bewohner von Jeram Perdas im Norden Malaysias flüchten vor extremen Monsunfluten mit ihren Habseligkeiten auf eine Anhöhe. Die Prognosen zum Meeresspiegelanstieg wurden in den letzten Jahren immer weiter nach oben korrigiert. Die Vorhersage-Linie für den schlimmsten Fall stieg von 59 Zentimetern (2007) auf inzwischen 2,5 Meter bis zum Jahr 2100.

Foto: AFP

Sie kennen den Klimawandel nur aus der "Tagesschau"? Und so richtig wissen Sie nicht, was Sie glauben sollen? Dazu ppm, CO2, E-Autos, Zwei-Grad-Ziel, Atomausstieg, Dieselautos, Methan oder gar BCCS oder NETs - ein ziemliches Wirrwarr, das auf Anhieb schwer zu verstehen und einzuordnen ist. Nachfolgend ein kleines ABC der Fakten und Begriffe - zum Klimawandel und was dahinter steckt, auch hinter der Gewissheit, dass der Mensch seit 200 Jahren unbewusst das Erdklima ändert - so, als hätte er mit Öl und Kohle ein geladenes Gewehr im Wald gefunden, ohne zu wissen, was das eigentlich ist.

Kohlendioxid- ein Segen: Das Treibhausgas hemmt die Wärmeabstrahlung der Erde. Eigentlich hätte der Planet eine Durchschnittstemperatur von etwa minus 17 Grad. Damit wäre dieser dauervereist - und unbelebt. Erst das von Vulkanen und anderen natürlichen Quellen freigesetzte Kohlendioxid (CO2) und der Wasserdampf bescheren unserem Planeten einen Treibhauseffekt und einen Temperaturgewinn von rund 30 Grad Celsius.

Kohlendioxid - ein Fluch: Seit einigen Jahrhunderten verbrennt der Mensch zur Energiegewinnung Kohle und später auch Öl. Dabei wird CO2 freigesetzt. Der flämische Chemiker Johan Baptista van Helmont erkannte Anfang des 17. Jahrhunderts: Wenn er Holzkohle verbrannte, verlor sie an Masse. Ein Teil war zu Gas geworden, das er "Spiritus sylvestre" (wilder Geist) nannte. Später (siehe Zitate oben) witterten die ersten Forscher, dass dieses CO2 einen zusätzlichen Treibhauseffekt auslösen und die Temperatur ansteigen lassen könnte.

Treibhausgase: Es gibt mehr als 100. Manche sind selten, wirken aber stark erwärmend; manche "betreten" erst durch den Menschen (Industriegase) die Atmosphäre; manches wirkt schwach, wird aber durch seine zahlenmäßige Übermacht - wie das CO2 - zur Erwärmungsmacht. Methan quillt aus Deponien, Reisfeldern oder Wiederkäuern und wirkt bis zu 21 Mal stärker als CO2. Auch das Dopen von Mutter Erde für reiche Ernten puscht die Erwärmung: Mit Kunstdünger wird Distickstoffmonoxid (Lachgas) freigesetzt; ein Lachgas-Molekül wirkt wie 300 CO2-Moleküle.

Besonders wärmen die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die "Ozonkiller" in der Höhe, aber auch deren Ersatzstoffe. Ein FCKW-Molekül hat die bis zu 10.600-fache Treibhausgaswirkung eines CO2-Moleküls. Es gibt immer wieder Überraschungen: Um die Jahrtausendwende entdeckten Forscher am Südpol ein Supermolekül: 1000 Jahre Lebensdauer, extremes Treibhausgaspotenzial. Sein Name, obwohl ein Zungenbrecher, sei wenigstens erwähnt: Trifluormethylschwefelpentaflourid. Die Wissenschaft weiß nicht, woher es stammt, vermutlich aus Entladungen bei Hochspannungsleitungen. Es ist erst seit 60 Jahren in der Welt.

ppm: Das Kürzel bedeutet Teile pro Million (parts per million). Während einer Kaltzeit betrug der CO2-Gehalt rund 180 ppm, bei einer Warmzeit 280 ppm. Anders ausgedrückt: Auf 100.000 Luftmoleküle kamen in einer Kaltzeit 18, in einer Warmzeit 28 CO2-Moleküle, heute sind es schon über 40 (400 ppm).

ppm-Messung: Die war mit der nötigen Präzision lange nicht möglich. 1954 stöberte der 26-jährige Chemie-Doktorand Charles David Keeling in der Literatur und fand etwas Vergilbtes aus dem Jahr 1916 - eine Bauanleitung für ein Gerät, das sich zur Messung kleinster Gasmengen eignen sollte. Keeling beantragte 9000 Dollar staatliche Förderung zum Aufbau einer kleinen CO2-Messstation. Abgelehnt. Private Institutionen sprangen ein. 1958 startete die Messung auf einem Hang des Vulkans Mauna Loa auf Hawaii in 3800 Metern Höhe, einem sogenannten Reinluftgebiet.

Das bedeutet: Maximal weit weg von Hotspots des CO2-Ausstoßes, wie Megastädten, was die Messung verfälschen würde. 1958 enthielt die Erdatmosphäre 315,97 ppm CO2. 1972 (327,45 ppm) veröffentlichte Keeling seinen Report über die Verbrennung fossiler Brennstoffe in den letzten 100 Jahren. Es entstand eine zweite Kurve, die viel steiler ausfiel als die des CO2-Anstiegs. Ursache: Der Weltozean hatte bereits viel CO2 entsorgt. Als Keeling 2005 (379,80 ppm) stirbt, hinterlässt er den mit Abstand wichtigsten Umweltdatensatz des 20. Jahrhunderts.

Wachstum in Zahlen: In 200 Jahren (1800 bis 2000) stieg die Weltbevölkerung um das 6-Fache, das Weltinlandsprodukt um das 100-Fache, der Primärenergieverbrauch um das 30-Fache, die CO2-Weltemission um das 20-Fache, die individuelle Mobilität um das 1000-Fache. Konkret: Legte ein Mensch auf der Erde im Jahr 1800 - durchschnittlich - 40 Meter pro Tag zurück, waren es (mit der Fliegerei) im Jahr 2000 etwa 40 Kilometer im Durchschnitt. Der energetische Motor des Ganzen: die Verbrennung aus Kohle, Gas und Öl. Bis 2050 werden diese Größen nochmals wachsen.

Woher beziehen Wissenschaftler ihre Gewissheit, dass die menschliche Zivilisation mit ihren CO2-Ausdünstungen die globale Erwärmung ausgelöst hat?

Paläoklimatologie: Bei der Einordnung der Klima-Gegenwart und der Vorhersage der Klima-Zukunft hilft die Klima-Vergangenheit. Meeressedimente, Endmoränen, Stalaktiten in Höhlen, Wachstumsringe in Korallen und Bäumen sowie vieles mehr bilden das Klimaarchiv. Auch Eisbohrkerne sind auskunftsfreudig. Der als Eis gestapelte Schnee aus Urzeiten enthält winzige Gasbläschen und berichtet, dass die Atmosphäre heute so viel CO2 enthält wie nie zuvor in den letzten 800.000 Jahren. Jeder Klimazeitzeuge hat indes Stärken und Schwächen. Tiefsee-Sedimente sind zeitlich schwerer zu bestimmen als die Luft in Eisbohrkernen, reichen dafür aber bis zu Hunderten von Millionen Jahren zurück.

Die Geschwindigkeit: Aus den Paläodaten geht hervor, dass es in der Vergangenheit etwa 1000 Jahre dauerte, bis die Erdtemperatur sich um ein Grad erhöht hatte. Die jüngste Erwärmung brauchte für ein Grad mehr 160 Jahre. Eine natürliche Ursache ließ sich für dieses Rekordtempo nicht finden. Je nachdem, mit welcher heraufziehenden Warmzeit man die aktuelle Entwicklung vergleich, vollzieht sich der aktuelle Klimawandel 10 bis 100 Mal schneller als einer aus der Vergangenheit.

Kann der CO2-Anstieg auch aus natürlichen Quellen stammen? Nein. Seit Mitte der 1950er Jahre lässt sich über die Kohlenstoff-Isotopenanalyse CO2 aus natürlichen von CO2 aus fossilen Quellen (Öl, Kohle) unterscheiden.

Spielt die schwankende Sonnenaktivität wirklich keine Rolle? Nein. Seit 50 Jahren zeigt unser Stern tendenziell weniger Aktivität. Möglich, dass die Sonne bald wieder zulegt. Das würde dann die globale Erwärmung verstärken.

Was bedeutet "gefährlicher Klimawandel"? In der Klimarahmenkonvention, beschlossen auf dem Rio-Gipfel 1992, wurde von der Weltgemeinschaft festgelegt, "gefährlichen Klimawandel" zu vermeiden. Obwohl nicht näher definiert, wird darunter weitgehend der menschliche Kontrollverlust über das Erdklima verstanden: Dass durch Rückkopplungen (Kippelemente) Entwicklungen angestoßen werden, die das Klima unwiderruflich in einen heißeren Gleichgewichtszustand schwingen lassen, ohne dass der Mensch - etwa durch einen sofortigen Emissionsstopp - das noch verhindern könnte.

Kippelemente: Positive Rückkopplungen drohen beim Verschwinden des arktischen Meereises und der polnahen Eisschilde, weil nach einer Schmelze dunkle Flächen übrig bleiben, die mehr Sonnen- in Wärmestrahlung verwandeln und so die globale Erwärmung (neben dem Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter) verstärken - analog dem Unterschied zwischen einem weißen und einem schwarzen Auto im Sommer. Beim Auftauen der Permafrostböden (20 bis 25 Prozent der Landmasse) liegt das Risiko in riesigen Treibhausgasmengen, die durch Wärme aktivierte bakterielle Zersetzungsprozesse freigesetzt werden.

Würden also die Kippschalter im Erdklima-System aktiviert, käme es auf die rechtzeitige Transformation zu einer kohlenstofffreien Weltwirtschaft - zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels - kaum mehr an. Dennoch lohnt sich der Kampf um jedes Zehntel Grad weniger, um allerschlimmste Folgen zu verringern. Mit der Erwärmung vermehrt sich schon heute das Treibhausgas Wasserdampf: mehr Wärme, mehr Verdunstung. Faustregel: Pro Grad Celsius mehr trägt die Lufthülle sieben Prozent mehr Wasserdampf. Deshalb gibt es mehr Starkregen. Auch die CO2-Müllabfuhr wird bald schwächeln, weil der Ozean sich erwärmt: Warmes Wasser löst CO2 aus der Luft schlechter als kaltes. Dann verbleibt mehr CO2 in der Atmosphäre.

Klimasensitivität: Die zentrale Frage lautet: Wie reagiert das Klimasystem auf eine Verdoppelung des atmosphärischen CO2-Gehalts von 280 auf 560 ppm? Diese Frage kann die Wissenschaft mit den besten Modellen nur abschätzen: drei Grad Celsius plus/minus ein Grad, wobei die Spanne von 1,5 bis 4,5 Grad Celsius reicht.

Zwei-Grad-Ziel: Diese Leitplanke hat die Wissenschaft der Politik als Richtwert empfohlen und 195 Staaten haben sich dazu auf dem 21. Weltklimagipfel in Paris (2015) bekannt. Die Welt will demnach nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, dass die Erde sich "deutlich unter zwei Grad" gegenüber vorindustrieller Zeit erwärmt. Gegenwärtig steuert die Welt mit ihren Emissionen jedoch auf eine Drei- bis Vier-Grad-Welt zu.

Kohlenstoff-Restbudget: Vor dem Hintergrund der wissenschaftlich geschätzten Klimasensitivität und des selbst verordneten Zwei-Grad-Ziels ergibt sich, dass rund 80 Prozent der verfügbaren Kohle- und ein Drittel der Erdölvorkommen in der Erdkrume bleiben müssen. So schreibt es das CO2-Restbudget vor. Der Platz in der Abfallgas-Deponie "Atmosphäre" ist für das 1,5-Grad-Ziel bereits Anfang der 2020er Jahre aufgebraucht, für das 2,0-Grad-Ziel um 2035. Pro Sekunde setzt die Menschheit aktuell rund 1332 Tonnen CO2 frei. Pro Jahr verbrennt sie fossile Brennstoffe, wie in einer Million Jahren entstanden sind. Je später die Welt beginnt, ihre CO2-Emission zu drosseln, desto radikaler muss die Bremsung ausfallen.

Klimaschutz: 23 UN-Klima-Konferenzen haben keine Verringerung der CO2-Weltemission bewirkt. Ganz im Gegenteil: Sie ist weiter - seit der ersten Konferenz (1995) um 60 Prozent - stark gestiegen. Der Bremsweg für das Zwei-Grad-Ziel verkürzt sich somit von Jahr zu Jahr mehr. Auch vom 24. Weltklima-Gipfel, der jetzt in Kattowitz (Polen) beginnt, wird kein Durchbruch erwartet. Zwar ist die Energieerzeugung durch Sonne und Wind weltweit förmlich explodiert und hat sich alle 5,5 Jahre verdoppelt, doch diese CO2-Einsparungen wurden durch die steigenden Emissionen in Entwicklungs- und Schwellenländern mehr als wettgemacht.

Klima-Gerechtigkeit: Bei UN-Konferenzen ist die "Klimaschuld" ein zentrales Thema. Staaten, die in den vergangenen 100 Jahren am wenigsten pro Kopf zur Weltemission beigesteuert haben, leiden schon heute am stärksten unter den Klimawandel-Folgen. So versinken die pazifischen und flachen Inselstaaten schon beim Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels infolge des Meeresspiegelanstiegs im Ozean, während andere Entwicklungsländer an sie gerichtete CO2-Sparappelle mit dem Argument ablehnen, dass die Industriestaaten ihren Wohlstand ebenfalls auf den Schultern fossiler Brennstoffe entwickelt hätten. Das Gerechtigkeits-Dilemma soll durch einen - von den Industriestaaten - gespeisten Klimafonds aufgelöst werden, aus dem jährlich 100 Milliarden Dollar an besonders betroffene Länder vergeben werden. Noch ist das nur ein Versprechen.

Historische Emissionen: Das CO2-Molekül hat in der Atmosphäre eine Lebensdauer von rund 120 Jahren, jedoch gehen jüngste Studien von einer längeren Verweildauer aus. Da das Klimasystem auf den Gas-Input stark zeitverzögert reagiert, erlebt der Mensch heute erst die Wirkung von CO2, das in der Vergangenheit freigesetzt wurde. Kanadische Forscher von der Concordia-Universität (Montreal) haben die historische Klimaschuld jedes Landes entsprechend seiner Einwohnerzahl (Pro-Kopf-Basis) berechnet: Großbritannien (1.), wo die industrielle Revolution begann, führt vor den USA (2.), gefolgt von Kanada (3.), Russland (4.), Deutschland (5.), den Niederlanden (6.) und Australien (7.). 20 von 195 Staaten haben demnach 82 Prozent des bisherigen Temperaturanstiegs verursacht.

UN-Weltklima-Reports: Die alle paar Jahre veröffentlichten Weltklima-Zustandsberichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), die Politik und Medien bestimmen, wurde von Klimaskeptikern gerne als "Panikpapiere" gebrandmarkt. Heute werden sie dagegen zunehmend als "zu konservativ" oder als "Kompromiss-Berichte" kritisiert (der GA berichtete). Weil sie politisch beeinflusst seien, so der Tenor, würden nur die harmloseren Zukunftsszenarien öffentlich. Tatsächlich überschreiten Messungen und Beobachtungen stets die IPCC-Vorhersagen.

Wo stehen wir? Bei 1,1 Grad Celsius durchschnittlicher Temperaturerhöhung. Da das Klimasystem nicht unmittelbar auf CO2-Inputs reagiert, sondern stark zeitverzögert, kann die globale Erwärmung bis 2050 kaum noch beeinflusst werden. Klimaforscher mahnen, dass das Zwei-Grad-Ziel (erst recht das 1,5-Grad-Ziel) nicht mehr mit herkömmlichen Maßnahmen zur CO2-Reduktion erreichbar ist, sondern nur mit Technologien, die der Lufthülle CO2 entziehen. Das hatte der IPCC bereits beim Zwei-Grad-Beschluss von Paris (2015) den Delegierten mitgeteilt, wurde aber nie öffentlich kommuniziert.

Falsche Vorstellungen: "Die Dringlichkeit, mit der Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen werden müssen, ist der Politik und einer breiteren Öffentlichkeit noch nicht klar", so Astrid Kiendler-Schaar, Leiterin des Instituts für Energie- und Klimaforschung am Jülicher Forschungszentrum und IPCC-Gutachterin - eine von vielen Stimmen aus der Wissenschaft, die beklagen, dass die Physik des Klimawandels und die darin schlummernden Risiken ignoriert oder nicht verstanden werden. Dazu gehören insbesondere mögliche überschießende Reaktionen des Klimasystems.

Diese widersprechen der menschlichen Erfahrung und erschweren, sich die tatsächlichen Risiken vorzustellen: Dass heutige CO2-Einsparungen nicht morgen wirken, sondern erst nach Jahrzehnten; dass etwas mehr CO2 nicht nur etwas mehr Klimaschäden bewirkt, sondern ab einer bestimmten Schwelle (siehe Kippelemente) unwiderruflich eine neue Heißzeit eingeleitet wird; dass das Zwei-Grad-Ziel keine Lebensversicherung ist. Aktuelle Beobachtungen in Grönland legen nahe, dass der Kipp-Punkt für die Eismasse wahrscheinlich zwischen 1,5 und 2,0 Grad Erderwärmung liegt.

Wetterextreme: Was der Mensch gerade bei 1,1 Grad mehr erlebt, fällt bei zwei Grad mehr nicht doppelt so heftig aus, sondern schlimmer. Deshalb bezeichnet der ehemalige Nasa-Klimaforscher James Hansen das Zwei-Grad-Ziel auch "als Rezept für eine langfristige Katastrophe". Die internationale Klima-Diplomatie scheint indes nicht zu akzeptieren, zu verstehen oder zu verdrängen, dass die Klimaphysik keine Kompromisse kennt.

Durchschnitt: Er fördert fatale Fehlvorstellungen. Zwei Grad mehr können in einigen bewohnten Regionen Tagestemperaturen von bis zu 50 Grad bedeuten. Die Arktis etwa hat sich schon heute doppelt so stark erwärmt als im globalen Mittel. Deutschlands Werte liegen ebenfalls über dem Durchschnitt.

Tempi-Perpektiven: Der Klimawandel bewegt sich nach den Maßstäben des Menschen wie eine Schnecke, aus der geologischen Perspektive jedoch wie ein Gepard. Das lädt den Menschen ein, die Entwicklung zu unterschätzen.

Rettungstechnologien: Es ist unstrittig, dass zur Einhaltung der Klimaziele Technologien notwendig sind, die der Lufthülle CO2 entziehen. Diese geistern gelegentlich mit schwer verständlichen Kürzeln - NETs, CCS, BECCS, DACCS - durch die Medien. Zur Erklärung: NETs (Negative Emission Technologies) ist ein Sammelbegriff für Technologien, die CO2 aus der Erdatmosphäre saugen. CCS (Carbon dioxide Capture and Storage) betrifft die CO2-Abscheidung und -Speicherung. Beispiel: Das in einem Kohlekraftwerk entstehende CO2 wird vor der Freisetzung abgeschieden und in den Untergrund geleitet.

Diese Technik ist die Grundlage für weitere, etwa BECCS oder DACCS. BECCS (Bio Energy with Carbon Capture and Storage): Hier soll Pflanzenbiomasse angebaut, später zur Energieerzeugung verbrannt und das anfallende CO2 in den Boden verpresst werden. DACCS (Direct Air Capture and Carbon Storage): Anlagen filtern CO2 aus der Luft und leiten es in Bodenspeicher. Noch ist nichts davon einsatzbereit. Die unterirdische CO2-Speicherung birgt zudem erhebliches Potenzial für gesellschaftliche Konflikte. Über das Thema hat noch nicht einmal eine öffentliche Debatte begonnen.

Atomausstieg: Kürzlich sagte eine Radio-Moderatorin, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Jahren stark beim Klimaschutz gestartet sei. Dann zählte sie einige Maßnahmen auf und nannte auch den Atomausstieg. So stiften Medien unnötig Verwirrung. Tatsächlich gehört die Atomenergie, wie Solar- und Windenergie, zu den klimaneutralen Energien. Gerade durch den Atomausstieg in Deutschland musste mehr klimaschädliche Kohle verstromt werden.

E-Autos, Diesel, Benziner: In der öffentlichen Diskussion gerät manches durcheinander. Im Stenogramm: Elektromobilität wäre nur dann eine klimafreundliche Option, wenn der Strom aus der Steckdose von erneuerbaren Energien oder Kernkraftwerken stammt - und nicht aus der Kohleverstromung. Die Dieseldebatte um Stickdioxide und Feinstaub hat wiederum nichts mit Klimaschutz zu tun. Ganz im Gegenteil: Mehr mit Benzin betriebene Automotoren würden einen höheren CO2-Ausstoß bedeuten.

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