Anschlag nach Konzert von Ariana Grande Der Terror richtet sich gegen Teenager in Manchester

Der Applaus war verklungen, da explodierte die Bombe. Fans des Popstars Ariana Grande rannten um ihr Leben. Es ist das blutigste Attentat in Großbritannien seit Jahren. Die Terrormiliz IS rühmt sich der Tat.

Verzweifelt steht Charlotte Campbell in ihrem Garten in Manchester, hält ein Bild ihrer hübschen Tochter Olivia in den Händen und versucht, sich für die Kamera zu sammeln: „Bitte, bitte, wer immer sie gesehen hat, jemand muss sie gesehen haben, lasst es mich wissen, meldet euch bei der Polizei“, sagt die Mutter mit tränenerstickter Stimme und beschreibt ihre 15-jährige Tochter als braunhaarig, mit Pferdeschwanz und schwarz gekleidet.

Charlotte Campbells Wangen sind nach dieser Horrornacht vom Weinen aufgequollen. Sie hat nicht geschlafen, seit sie am Montagabend von dem Bombenanschlag erfahren hat, der sich in der Manchester Arena ereignete – bei jenem Popkonzert, zu dem ihre Tochter unbedingt hindrängte, um ihrem Idol Ariana Grande zuzujubeln. Nur wenig später sprengt sich im Eingangsbereich des Konzerthauses ein Selbstmordattentäter in die Luft und tötet mindestens 22 Menschen, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche.

Manchester ist tief getroffen

Gehört Olivia Campbell dazu? Ihr Handy ist ausgeschaltet. Und ihre Mutter Charlotte hält die quälende Ungewissheit kaum aus und ruft deshalb mit ihrem Video zur Suche auf. Zu den ersten Todesopfern, die Dienstag identifiziert wurden, gehört die 18-jährige Studentin Georgina Callander. Zudem verlor die acht Jahre alte Saffie Rose Roussos ihr Leben, die mit ihrer Mutter und Schwester das Konzert besucht hatte. Der Rektor ihrer Grundschule zeigte sich erschüttert. Saffie, das „wunderschöne, kleine Mädchen“, sei bei allen beliebt gewesen und „ihre Warmherzigkeit und Liebenswürdigkeit“ würden in Erinnerung bleiben.

Es sind Geschichten wie diese, die den Menschen über die Grenzen der geschockten britischen Nation hinaus das Herz zerreißen. Manchester, die Stadt im Norden Englands, ist tief getroffen.

Als Premierministerin Theresa May vor die Tür ihres Amtssitzes in der Downing Street trat, wehten die Flaggen bereits auf Halbmast.

Angriff auf wehrlose Kinder und Jugendliche

Es gebe keinen Zweifel daran, „dass die Bevölkerung Manchesters und dieses Landes Opfer eines eiskalten terroristischen Angriffs geworden ist“, sagte die Regierungschefin. Absichtlich habe man auf unschuldige, wehrlose Kinder und junge Menschen gezielt. Sie verurteilte die „abstoßende und abscheuliche Feigheit“ des mutmaßlich islamistischen Täters, dessen Identität die Polizei am Dienstagabend als Salman Abedi angab.

Die Behörden gingen zu diesem Zeitpunkt bereits von einem Einzeltäter aus. Königin Elizabeth II. verurteilte ebenfalls den „barbarischen Anschlag“ und sprach den Betroffenen ihr Beileid aus. Wer die Ereignisse nachzeichnet, begegnet dem Grauen, das einen fröhlichen Abend urplötzlich zerstört. Es ist 22.30 Uhr. Der US-amerikanische Teenie-Star Ariana Grande hat gerade ihr letztes Lied gesungen. In dem Saal schweben riesige Ballons von der Decke, die zum musikalischen Finale gehören. Dann gehen die Saallichter an.

Sprengsatz war mit Nägeln bestückt

Die rund 21.000 Fans strömen in Richtung der Ausgänge, beschwingt von diesem besonderen Abend. Vor den Türen warten Eltern auf ihre Kinder, um sie nach Hause zu bringen. Plötzlich zerreißt eine Explosion die ausgelassene Stimmung. Die, die eben noch sangen, schreien nun in Panik, stürzen zu den Türen. Einige Besucher klettern über die Absperrungen, Chaos bricht aus. Aus dem Lieder-Tempel ist eine „Kriegszone“ geworden, sagt eine aufgelöste Frau. Gerade hat sie regungslose und blutüberströmte Körper am Boden liegen gesehen, Metallteile und Splitter sind überall verteilt.

Ein Teenager spricht von einem „Gemetzel“. „Wir mussten Nägel aus den Gesichtern von Kindern herausziehen“, erinnert sich ein Obdachloser, der nach der Explosion zum Unglücksort eilt. Der Täter hatte den Sprengsatz offenbar mit Nägeln gefüllt, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen.

Die Gesichter derjenigen, die es aus der Arena schaffen, sind gezeichnet von Schmerz und Fassungslosigkeit. Väter tragen ihre Töchter aus der Halle. Einige Besucher stützen ihre verletzten Freunde auf dem Weg nach draußen in die Dunkelheit.

Als die ersten Nachrichten die Runde machen, durchläuft eine Welle der Solidarität die 520 000 Einwohner große Stadt. Etliche Bürger Manchesters eilen noch in der Nacht zur Arena, bieten ihre Hilfe oder ein Bett zum Übernachten an, weil der Nahverkehr am Bahnhof Victoria längst gestoppt wurde. Die 23-jährige Sängerin Ariana Grande schrieb noch in der Nacht, sie sei am Boden zerstört: „Aus tiefstem Herzen: Es tut mir so leid. Mir fehlen die Worte.“

Während sich am Tag danach eine ungewöhnliche Stille über die belebte Gegend um die Arena legte, fanden Polizeieinsätze statt. Noch in der Nacht brachte die Polizei einen Sprengsatz kontrolliert zur Explosion. Zudem wurde ein 23-jähriger Mann verhaftet.

Unterdessen wurde der Wahlkampf vor den Parlamentswahlen am 8. Juni wegen des schwersten Terrorangriffs in Großbritannien seit dem Jahr 2005 unterbrochen. Damals zündeten Terroristen in der Londoner Underground und in einem Bus Sprengsätze. 56 Menschen starben.

Charlotte Campbell wusste auch Mittwochabend nicht, was mit ihrer jährigen Tochter Olivia passiert war.

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