Venezuela Der überforderte Präsident

CARACAS/BONN · Nicolás Maduro steuert Venezuela zielsicher immer tiefer in die Krise. Die Opposition will ihn mit einem Referendum aus dem Amt jagen.

 Explosive Lage: Eine Protestaktion der Opposition gegen Präsident Nicolás Maduro am Mittwoch in Caracas wird von der Polizei unter Einsatz von Gewalt gestoppt.

Explosive Lage: Eine Protestaktion der Opposition gegen Präsident Nicolás Maduro am Mittwoch in Caracas wird von der Polizei unter Einsatz von Gewalt gestoppt.

Foto: dpa

Nicolás Maduro sei der beste Mann, um sein Erbe fortzuführen, erklärte Venezuelas Präsident Hugo Chávez kurz vor seinem Krebstod im März 2013. Damit hatte sich der Führer der bolivarischen Revolution für einen treuen Weggefährten entschieden. Doch es kam, wie es oft in charismatischen Führungssystemen kommt: Die Schuhe waren zu groß für den ehemaligen Gewerkschaftsführer der Transportbetriebe. Gut drei Jahre später steht Maduro vor einem Scherbenhaufen.

Nachdem er selbst nur knapp die Präsidentschaftswahl gewonnen und seine Sozialistische Einheitspartei (PSUV) im Dezember 2015 die Parlamentswahl haushoch verloren hatte, entgleitet ihm die Kontrolle an allen Fronten. Wirtschaftlich steuert die sozialistische Mangelwirtschaft nach dem Absturz der Erdölpreise in eine Katastrophe; politisch bleibt ihm nichts, als mit Hilfe des treuen Obersten Gerichtshofs sämtliche Gesetzesinitiativen des Parlaments für verfassungswidrig erklären zu lassen, und innerparteilich brechen die Grabenkämpfe immer heftiger auf. Wo Chávez mit Charme, List, Anpassungsfähigkeit und dem bedingungslosen Rückhalt seiner Militärfreunde Ausgleich und Ordnung schuf, herrscht unter Maduro nur noch starrsinnige Linientreue, die ins Chaos führt.

Staatschef war nie das Ziel des 53-Jährigen mit dem buschigen Schnäuzer. Eigentlich wollte er Musiker werden oder Baseballstar, mit zwölf sympathisierte er mit der Guerilla, schlug sich dann als Bodyguard durch und bestritt seinen Lebensunterhalt als Funktionär der von ihm mitgegründeten Gewerkschaft der Transportbetriebe von Caracas. Chávez machte den ihm bedingungslos ergebenen Maduro erst zum Parlamts-, dann zum Vizepräsidenten.

In der Bevölkerung ist Maduros Popularität inzwischen rapide gesunken: Laut Umfragen stehen nur noch 22 Prozent hinter ihm. Dazu dürfte auch beigetragen haben, dass Venezuela tief in einem Sumpf aus Kriminalität versunken ist. Das Land hat heute eine der höchsten Mordraten der Welt, immer häufiger kommt es zu Lynchjustiz gegen vermeintliche Diebe und andere angeblich Kriminelle.

Der Konflikt zwischen Maduro und der Opposition gewinnt derweil an Schärfe. Mit einem Referendum will sie den sozialistischen Präsidenten aus dem Amt jagen. 1,8 Millionen Unterschriften hat sie gesammelt und Anfang Mai dem Wahlrat (CNE) übergeben, um den Referendumsprozess einzuleiten – erforderlich wären nur knapp 200 000 gewesen. Doch der von Maduros Sozialisten kontrollierte CNE verzögert die Prüfung der Unterschriften, die eigentlich längst hätte beginnen müssen.

Als Oppositionsanhänger am Mittwoch dagegen protestieren wollten, wurden sie von einem massiven Polizeiaufgebot gestoppt. Es kam zu Gewaltanwendung und Festnahmen. Maduros Kalkül: das Referendum so lange hinauszögern, dass Neuwahlen vermieden werden. Das wäre der Fall, wenn es nach dem 10. Januar 2017 stattfindet. Denn laut Verfassung übernimmt der Vizepräsident – in diesem Fall Maduros Gefolgsmann Aristóbulo Istúriz – das Amt, wenn der Präsident zwei Jahre oder weniger vor Ablauf des Mandats abgewählt wird. Maduros Amtszeit endet offiziell am 10. Januar 2019.

Durch die Verhängung des Ausnahmezustandes versucht Maduro verzweifelt, die Kontrolle nicht ganz zu verlieren. Als Vermittler ist jetzt Spaniens früherer Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero auf den Plan getreten. Nach einem Gespräch mit Maduro traf er gestern mit Oppositionsführer Henrique Capriles zusammen.

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