Krisengeschütteltes Land Blutige Proteste: Bereits 25 Tote in Venezuela

Caracas · Wieder liegen Tote auf der Straße. In Venezuela bekommt die Losung "Socialismo o Muerte" eine traurige Aktualität, die Fronten sind verhärtet. Die Opposition will Präsident Maduro in die Knie zwingen.

 Ein Demonstrant mit einer Gasmaske steht in Caracas während eines Protests gegen den sozialistischen Präsidenten Maduro vor einer brennenden Barrikade auf einer Autobahn.

Ein Demonstrant mit einer Gasmaske steht in Caracas während eines Protests gegen den sozialistischen Präsidenten Maduro vor einer brennenden Barrikade auf einer Autobahn.

Foto: Ariana Cubillos

Bei neuen Massenprotesten im krisengeschüttelten Venezuela sind drei weitere Menschen getötet worden. Damit sind dem blutigen Machtkampf seit Anfang April schon 25 Menschen zum Opfer gefallen.

Wie der Volksbeauftragte der Regierung, Tarek William Saab, in einem Interview mitteilte, starb in der Stadt Mérida ein Mitarbeiter der örtlichen Verwaltung durch einen Schuss in den Hals, zwei weitere Personen starben in der Stadt Barinas. Regierung und Opposition gaben sich gegenseitig die Schuld für die Eskalation.

Im Land mit den größten Ölreserven gehen seit Wochen Hunderttausende für Neuwahlen auf die Straße. Aber es gibt auch viele Demonstrationen für Präsident Nicolás Maduro von Anhängern der Sozialisten. Maduro nennt den gefallenen Ölpreis als Grund für die dramatische Versorgungskrise im ganzen Land. Seit Ausbruch der Proteste Anfang April, die sich vor allem an der zeitweisen Entmachtung des Parlaments durch den Obersten Gerichtshof entzündet hatten, starben mindestens 13 Menschen bei Demonstrationen, weitere zwölf bei Unruhen und Plünderungen.

Saab machte die Opposition für das Blutvergießen im westlich gelegenen Mérida verantwortlich, da es sich bei den Toten und mehreren Verletzten um Anhänger der Regierung gehandelt habe. Es gab widersprüchliche Angaben. Zeugen sprachen von Protesten gegen Maduro, bei denen Anhänger der Sozialisten aufgetaucht seien, bevor es aus Häusern zu Schüssen kam. Die Generalstaatsanwaltschaft kündigte eine Untersuchung an. Für die Toten in Barinas machte die Opposition Banden der Sozialisten, sogenannte Colectivos, verantwortlich.

In der Hauptstadt Caracas verlief eine Massenkundgebung am Montag dagegen friedlicher als bisherige Märsche, die oft in einem massiven Einsatz von Tränengas endeten. Die Opposition, die die Mehrheit im Parlament hat, fordert freie Wahlen, die Freilassung von politischen Gefangenen, eine Achtung des von ihr dominierten Parlaments und eine bessere Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und Medizin.

2014 war es zuletzt zu einer vergleichbaren Protestwelle gegen Maduro gekommen, damals starben 43 Menschen, aber über einen Zeitraum von fünf Monaten. Der charismatische Oppositionsführer Leopoldo López wurde dafür verantwortlich gemacht und zu über 13 Jahren Haft verurteilt. Seine Frau Lilian Tintori marschiert heute an vorderster Front. Nachdem Tintori jüngst US-Präsident Donald Trump besucht und dieser die Freilassung gefordert hatte, bestätigte der Oberste Gerichtshof tags darauf die umstrittene Strafe gegen López.

Das Land leidet unter Hyperinflation und Devisenmangel - es steht am Rande der Pleite. Die Goldreserven wurden bereits mehr als halbiert, um an Devisen zur Bedienung der Auslandsschulden und Importe von Medikamenten und Nahrung zu kommen. Antibiotika, Diabetes- und Epilepsiemedikamente gibt es fast nirgendwo mehr. Angehörige müssen für Kinder in Krankenhäusern vielerorts Sauerstoff und Medizin auf dem Schwarzmarkt selbst kaufen, die Kindersterblichkeit ist gestiegen.

Die Opposition wirft Maduro vor, eine Diktatur anzustreben. Das Parlament ist seit Monaten de facto machtlos, da Maduro mithilfe der Justiz und mit Notstandsdekreten an der Legislative vorbeiregiert.

Maduro war 2013 zum Nachfolger des gestorbenen Hugo Chávez gewählt worden, er kommt anders als Chávez nicht aus dem Militär. Dort wurden Schlüsselpositionen mit Getreuen besetzt. Die Opposition fordert einen Bruch des Militärs mit Maduro, der aber dank der Ausweitung von Sozialleistungen in Armenvierteln weiterhin viel Zuspruch hat.

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