Diskussion über Leitbilder in Siegburg Auf der Suche nach Gemeinsamkeit

Siegburg · Im Katholisch Sozialen Institut (KSI) in Siegburg haben drei Experten über Leitbilder in Deutschland diskutiert. Dabei ging es auch um die Frage, inwiefern Leitbilder zum Zusammenhalt einer Gesellschaft beitragen können.

 Udo Di Fabio, ehemaliger Bundesverfassungsrichter und heute Professor für Öffentliches Recht an der Universität in Bonn.

Udo Di Fabio, ehemaliger Bundesverfassungsrichter und heute Professor für Öffentliches Recht an der Universität in Bonn.

Foto: dpa

Es gibt eine Kluft in Deutschland wie in anderen Gesellschaften Europas und der Welt übrigens auch, sagt Udo Di Fabio, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn und früherer Richter des Bundesverfassungsgerichts. Auf der einen Seite stünden die Gewinner einer zunehmend komplexer werdenden und vernetzten Welt, auf der anderen Seite jene Menschen, die sich den Finanzmärkten und der Herrschaft der Exekutive ausgeliefert fühlen. „Diese Menschen empfinden Angst, die befürchten die Ordnung zu verlieren“, erläutert Di Fabio. In ihrer Not suchten sie nach Gewissheiten, nach Leitbildern.

Damit war er beim Thema angekommen. Am Donnerstagabend ging es im Katholisch Sozialen Institut in Siegburg darum, die Bedeutung von Leitbildern zu erörtern. Neben Di Fabio waren auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker und Ali Can, Gründer des Vereins „Interkultureller Frieden“, eingeladen.

Vor etwa 200 Besuchern erklärte Winkelmeier-Becker, wie wichtig ihre Kindheit war, um ihr eine Orientierung zu geben. Ihr Vater sei zu jener Zeit im Kirchendienst gewesen, ihre Mutter habe sich um sie und ihre drei Schwestern gekümmert. „Dieser Abschnitt meines Lebens hat mich enorm geprägt.“

Heute wüssten viele Mütter gar nicht mehr, wie sie mit ihrem Kind umgehen sollen. Sie habe sich einfach an dem orientiert, was ihre Mutter ihr damals vermittelt habe. Das habe ihr geholfen. „Insofern sind Leitbilder nicht zuletzt entscheidend für das private Glück“, meint Winkelmeier-Becker. Auch seien sie von großer Bedeutung, wenn es um die Orientierung in der Gesellschaft geht.

Das Festhalten an traditionellen Werten kann in einer multikulturellen Gemeinschaft jedoch auch bedeuten, dass andere ausgeschlossen werden. Gerade die steigende Zahl von Flüchtlingen hat in Deutschland zu einer Diskussion über eine „abendländische“ Kultur geführt, die sich vor allem vom Islam abgrenzt.

Lehramtsstudent Can hat deshalb eine Telefonhotline für „besorgte Bürger“ gegründet. Er will ganz bewusst auf die Bedenken und Ängste der Menschen in Deutschland eingehen, um ihnen so gut es geht ihre Sorgen zu nehmen: „Es geht darum, dass man aufeinander zugeht. Nur so können Vorurteile abgebaut werden.“ Er habe diesbezüglich eine wertvolle Erfahrung gemacht, als er damals als Kind von einem Freund eingeladen wurde, mit in die Kirche zu kommen. So habe er ein Verständnis für die christlichen Werte entwickeln können.

In Zukunft wird es immer wichtiger, solche Angebote zu schaffen, ist Di Fabio überzeugt. Das Nationalgefühl werde durch die Zunahme multikultureller Gesellschaften verschwinden. „Im Moment gibt es jedoch noch keine andere Identität wie etwa eine europäische, die diesen Verlust ersetzen könnte.“ Es sei deshalb dringend notwendig, die Menschen auf eine andere Art miteinander zu verbinden.

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