Fragen und Anworten zum Dieselskandal Auf dem Weg zum Diesel-Fahrverbot?

Bonn · In den großen Städten werden regelmäßig die Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide verletzt. Verantwortlich sind auch Dieselfahrzeuge. Die großen Autobauer merken bereits, dass die Kunden zunehmend Abstand vom Diesel halten.

 Dieselmotoren erzeugen deutlich mehr gesundheitsschädliche Stickstoffoxide als normale Otto-Motoren.

Dieselmotoren erzeugen deutlich mehr gesundheitsschädliche Stickstoffoxide als normale Otto-Motoren.

Foto: picture alliance / dpa

Seit das Düsseldorfer Verwaltungsgericht am 13. September ein Urteil gegen den Luftreinhalteplan Düsseldorf gefällt hat, erscheint ein künftiges Fahrverbot für Dieselfahrzeuge nicht mehr ausgeschlossen. Die Städte Bonn, Köln und Aachen könnte es ebenfalls treffen, denn die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat auch gegen die Luftreinhaltepläne dieser Städte geklagt, die die Bezirksregierung Köln aufstellt.

Warum hat die DUH bundesweit 15 Klagen eingereicht?

Seit dem Jahr 2010 hat die Europäische Union einen Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter festgelegt, der nicht überschritten werden darf. Wird er aber an vielen Stellen. In Bonn misst das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) an drei Orten: an der Bornheimer Straße, der Reuterstraße und in Auerberg. Am stärksten verunreinigt ist in Bonn die Luft an der Reuterstraße. Dort lag der Wert im vorigen Jahr bei 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter. Zwei Jahre zuvor lag er allerdings noch bei 57. An der Bornheimer Straße wurden 2015 41 Mikrogramm gemessen. Die Einhaltung ist an dieser Stelle also in Reichweite. Mit 30 Mikrogramm unterschreitet der Auerberger Messwert die Grenze. Schlimmer sieht es in Köln aus. Beispiel: Clevischer Ring. Dort enthält die Luft pro Kubikmeter 66 Mikrogramm Stickstoffdioxid, Tendenz in den letzten Jahren steigend. An acht von 14 Kölner Messstellen wird der Grenzwert überschritten – ebenso an vielen Messstellen in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München oder Stuttgart.

Warum stehen ausgerechnet Dieselfahrzeuge im Fokus?

Dieselmotoren erzeugen deutlich mehr gesundheitsschädliche Stickstoffdioxide als normale Otto-Motoren. Selbst bei neuen Autos ist das so. Im Mittelpunkt des Abgasskandals stehen unsaubere Diesel-6-Motoren. Sollte das Düsseldorfer Urteil rechtskräftig werden, führt das zwar nicht unbedingt zum Verbot dieser Autos. Die zuständige Bezirksregierung müsste ein Dieselfahrverbot aber zumindest prüfen.

Diskutiert wird immer wieder auch über eine blaue Umweltplakette. Was hat es damit auf sich?

Sie soll jenen Dieselautos vorbehalten sein, die weniger umweltschädliche Schadstoffwerte haben. Großstädte wie Berlin, München, Bremen und Stuttgart könnten sich vorstellen, dass mit der Einführung einer solchen Plakette besonders umweltschädliche Dieselfahrzeuge aus den Städten und Ballungsräumen verbannt werden können. Doch bislang fehlt dafür eine gesetzliche Grundlage. Zudem hat das Bundesumweltministerium im August Pläne für eine blaue Plakette für schadstoffarme Dieselautos auf Eis gelegt. Das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau plädiert hingegen weiterhin für eine Einführung. Innenstädte mit hoher Stickoxid-Belastung dürften dann nur noch von Dieselfahrzeugen mit der strengeren Euro-6-Norm befahren werden.

Dem Verwaltungsgericht Köln liegen die Luftreinhaltepläne aus Bonn und Köln vor. Wann entscheiden die Richter?

Frühestens im Frühjahr 2017, heißt es aus dem Verwaltungsgericht. „Bei gleich lautenden Urteilen werden auch die Dieseleinfahrverbote im Rahmen einer Überarbeitung der Luftreinhaltepläne überprüft werden müssen“, erklärt Dirk Schneemann, Pressesprecher der Bezirksregierung Köln.

Was steht eigentlich in den Luftreinhalteplänen?

Die Luftreinhaltepläne sehen ein Bündel von Maßnahmen vor. Die Stadt Bonn bezeichnet in diesem Zusammenhang die Steigerung der Jobtickets als „Daueraufgabe“. Die Anzahl konnte von 2006 bis 2015 von 50 000 auf knapp 63 000 erhöht werden. Mit Einrichtung der Umweltzone im Jahr 2010 ist die verkehrsbelastete Reuterstraße bis auf den Anlieferverkehr für Lastwagen gesperrt worden. Durch die Umweltzone konnte seit 2010 vor allem der Feinstaub in der Luft gesenkt werden. Viele Halter von Dieselautos haben damals ihre Motoren mit Filtern nachgerüstet, um in die Umweltzone fahren zu dürfen. Gegen gasförmiges Stickstoffdioxid hilft der Filter nicht. Die Umwelthilfe hält auch Tempolimits, ÖPNV-Bürgertickets oder eine Citymaut für probate Mittel, um den Ausstoß des Gifts zu begrenzen.

Wer kann ein Dieselfahrverbot in Städten verfügen?

Das ist ein strittiger Punkt. Die Stadt Bonn will sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht dazu äußern, ob sie ein solches Verbot verhängen könnte. Schließlich steht ein Urteil gegen den Bonner Luftreinhalteplan weiterhin aus. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit seiner Entscheidung, die noch nicht rechtskräftig ist, grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, Dieseleinfahrverbote ohne Plakettenpflicht in Luftreinhalteplänen festzulegen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vertritt deshalb die Auffassung, die Städte könnten das selbst regeln. Viele Kommunen finden, dass der Gesetzgeber in der Sache gefragt ist. „Für uns ist entscheidend, dass es zurzeit keinerlei gesetzliche Grundlage für ein solches Verbot gibt. Das halten wir für problematisch“, erklärte Birgit Kaiser de Garcia, Sprecherin des Lanuv. Man könne die Kommunen mit dieser Entscheidung nicht allein lassen. Gerade in eng bebauten Straßen wie der Reuterstraße oder der Bornheimer Straße müsse „das Recht auf gesunde Luft“ geschützt werden.

Wer wäre von einem Verbot betroffen?

In der Stadt Bonn sind insgesamt knapp 117 000 Dieselfahrzeuge zugelassen. Die Telekom und die Deutsche Post haben allerdings ihren kompletten deutschlandweiten Fuhrpark in Bonn angemeldet. Bereinigt bleiben etwa 53 400 Fahrzeuge übrig. Darin sind auch Busse der Stadtwerke Bonn enthalten, die zurzeit eine Umstellung auf elektrisch betriebene Busse prüfen. Gerade Gewerbetreibende und Handwerker setzen gern auf die in der Anschaffung teureren, aber im Verbrauch günstigeren Diesel. „Wenn ein Fahrverbot wirklich käme, wäre das Handwerk komplett lahmgelegt“, sagt Alois Blum, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bonn/Rhein-Sieg. Nicht nur die Bonner, sondern auch die umliegenden Geschäftsinhaber wären betroffen, die viele Kunden in der Stadt haben.

Wie reagieren Handel und Handwerk in Köln, der größten Stadt Nordrhein-Westfalens?

„Wer Dieselfahrzeuge von heute auf morgen daran hindert, in die Stadt oder einzelne Bezirke zu fahren, gefährdet die Versorgung der Stadt“, sagt Ulrich Soénius, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Köln. „Das Geld, das die Umrüstung eines Fuhrparks kostet, muss erst einmal verdient werden“, fügt er hinzu. Die Handwerker hätten ja gerade erst mit viel Geld eine Fahrzeugflotte aufgebaut, die der grünen Plakette gerecht wird“, meint Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, die auch für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis zuständig ist. Ein generelles Verbot von Dieselfahrzeugen sei der „falsche Ansatz“. Vielmehr müsse beim Schiffsverkehr angesetzt werden und bei der Industrie, die Motoren mit weniger Schadstoffausstoß liefern müsse.

Was schlägt das Handwerk vor?

Weltrich spricht vom „totalen Politikversagen“ und wirft den Kölner Grünen vor, aus Kostengründen bislang die „umweltsensitive Ampelsteuerung“ nicht eingeführt zu haben. Auch habe die Stadt immer noch keinen neuen Verkehrsrechner ausgeschrieben, sodass die meisten Abgase von Autos stammen, die im Stau stehen. „Gegebenenfalls muss man die Umweltzone noch ausweiten, und man kann eine Messe in Innenstadtlage auf Dauer nicht ausnehmen. Jede Ausnahme für Pendler oder Fahrzeuge mit ungeraden Kennzeichen“ sei „weiße Salbe“.

Ergreifen die Städte im Vorfeld des zu erwartenden Urteils schon jetzt Gegenmaßnahmen?

Die Kölner Stadtverwaltung will nun ein zweistufiges Verfahren aufsetzen, das in konkrete Handlungsempfehlungen mündet. In Kürze will die Verwaltung intern erste Maßnahmen erarbeiten. Ziel ist es, den Verkehr deutlich zu reduzieren. Ein runder Tisch aus Polizei, Wirtschaft, Logistik und Kölner Verkehrs-Betrieben soll ab Ende Oktober zusammengerufen werden. Dort werden die Pläne jener Städte vorgestellt, die bereits Urteile in Sachen Stickstoffdioxid-Belastung haben hinnehmen müssen – München, Limburg, Reutlingen und Düsseldorf. Vor allem wird dort diskutiert, wie Lastwagen aus der Stadt herausgehalten werden können. Außerdem könnten Busse mit speziellen Filtern ausgestattet, die Umweltzone erweitert und die anliegenden Schiffe an Landstrom angeschlossen werden. Es wird einen Handlungskatalog geben, der eine grobe Kosten-Nutzen-Abschätzung beinhaltet. Voraussichtlich bis zum Sommer nächsten Jahres soll ein modifizierter Luftreinhalteplan zum Beschluss vorliegen.

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