Wikileaks-Aktivistin in Bonn Assange-Vertraute Sarah Harrison kritisiert Macht ohne Mandat

BONN · Schwarzer Anzug, der um die Knie schlackert, eine riesige weiße Bluse, die sie umhüllt - Arbeitskleidung für Wikileaks-Aktivistin Sarah Harrison an diesem Morgen in Bonn.

 Sarah Harrison, die Vertraute von Edward Snowden, zeigt am 22. Juni 2014 in Berlin die Urkunde der Auszeichnung "Berliner Preis für Zivilcourage 2014", den sie stellvertretend für den Preisträger Edward Snowden entgegennahm. Der mit 10.000 Eur dotierte Preis wird dem US-Amerikaner für sein mutiges Eintreten für Demokratie und Bürgerrechte zuerkannt.

Sarah Harrison, die Vertraute von Edward Snowden, zeigt am 22. Juni 2014 in Berlin die Urkunde der Auszeichnung "Berliner Preis für Zivilcourage 2014", den sie stellvertretend für den Preisträger Edward Snowden entgegennahm. Der mit 10.000 Eur dotierte Preis wird dem US-Amerikaner für sein mutiges Eintreten für Demokratie und Bürgerrechte zuerkannt.

Foto: dpa

Die 32-jährige Britin ist berühmt, seitdem sie Julian Assange zur Seite steht und ihr Leben aufs Spiel setzte, um Whistleblower Edward Snowdon auf der Flucht zu schützen. Am Mittwoch aber stand eine besonders pikante Begegnung an: Beim Global Media Forum der Deutschen Welle traf sie auf Jamie Shea, den Vize-Nato-Generalsekretär für sicherheitspolitische Herausforderungen.

Das Podium gehörte Harrison zum Auftakt allein. Ein paar zaghafte Schritte zum Pult, dann folgt eine halbe Stunde der furchtlosen und messerscharfen Analyse. An die Wand wirft sie Auszüge aus Dokumenten, die Wikileaks zugespielt wurden: Geheime Depeschen von Botschaftern, die belegen, wie bei der Ernennung des derzeitigen Nato-Chefs gekungelt wurde und wie erpicht Regierungen darauf sind, Überwachungsprotokolle mutmaßlicher Terroristen auf informellem Wege zu tauschen - abseits jeder parlamentarischen Kontrolle.

"Durch die Enthüllungen haben wir gesehen, auf welchem Wege Menschen an wichtige Positionen in dieser Demokratie kommen", erklärt Harrison. Sie zeigten auch, dass die USA und Nationen, die mit den USA befreundet bleiben wollten, ein "riesiges, globales Netzwerk an Militär und Sicherheitsdiensten geschaffen haben, das niemandem Rechenschaft ablegt."

Ein Video, das Wikileaks zugespielt wurde, zeigt etwa, wie US-Kampfpiloten Journalisten im Irak aus der Luft töten. Die Soldaten hatten die Kamera-Stative der Männer für Waffen gehalten und das Feuer eröffnet. Der Zwischenfall wurde lange nicht geklärt, weil die US-Streitkräfte nicht kooperierten - bis Wikileaks das Video veröffentlichte. "Das Pentagon gab dann einen Bericht heraus, in dem es hieß, dass keine Gesetze gebrochen worden seien", kritisierte Harrison. Wieder sei niemand zur Rechenschaft gezogen worden.

Ihre Botschaft ist klar: Während die Mächtigen am liebsten ganz im Verborgenen arbeiten, oft in Angelegenheiten, in denen sie kein Mandat halten, weiß der Einzelne allmählich gar nicht mehr, wie er seine persönlichen Daten vor dem Zugriff Fremder schützen kann.

Die 32-Jährige arbeitete bereits mit Assange an der Veröffentlichung kompromittierender, geheimer Regierungsinformationen. Dem Informanten und US-Soldaten Edward Snowdon half sie bei der Flucht. Der Fall erhielt besondere Brisanz, als im Juli 2013 der Luftraum über Südeuropa gesperrt und eine Regierungsmaschine aus Bolivien zur Notlandung gezwungen wurde, weil die USA den IT-Spezialisten an Bord vermuteten.

"Wie konnten die USA den europäischen Luftraum derart dominieren?", fragt Harrison. Während Snowdon mittlerweile Asyl in Russland erhalten hat, lebt die Britin im unfreiwilligen Exil in Berlin. Von einer Rückkehr ins Königreich raten Anwälte ab: Ihr droht nach den Anti-Terror-Gesetzen Großbritanniens die Inhaftierung.

Jamie Shea, Vize-Nato-Generalsekretär, angelte angesichts von Harrisons' Anmerkungen spürbar nach Argumenten. Wie man den Widerspruch zwischen gläsernem Individuum und dem intransparenten Staat auflöst, wusste auch er nicht. Selbst die Nato sei jährlich 2500 ernsthaften Hackerangriffen ausgesetzt. Wer seine eigenen Daten schützen will, so Shea, sollte vom Staat nicht zu viel Hilfe erwarten. Ein Punkt, in dem Sarah Harrison ihm ausnahmsweise Recht geben würde.

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