Universitäten Anti-Plagiat-Software ist keine Wunderwaffe

BONN · Ein Jahr nach den ersten Meldungen zum Plagiatverdacht gegen den damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, auf die dann am 23. Februar 2011 der Entzug des Doktortitels folgte, haben viele Universitäten die Schlupflöcher für Plagiatoren kleiner gemacht.

 Wenige schwarze Schafe bringen ehrliche Doktoranden in Misskredit. Laut Uni Bonn gibt es sehr wenige Plagiat-Fälle.

Wenige schwarze Schafe bringen ehrliche Doktoranden in Misskredit. Laut Uni Bonn gibt es sehr wenige Plagiat-Fälle.

Foto: dpa

Die große Aufregung hat sich jedoch gelegt. Konzertierte, spektakuläre Aktionen wie der Aufruf des Bonner Mathematik-Professors Matthias Kreck, der für seine "Erklärung zu den Standards akademischer Prüfungen" Tausende Unterzeichner fand, gehören der Vergangenheit an.

An vielen Universitäten haben sich nach der Plagiataffäre die Standards verändert. So setzt die gesamte Philosophische Fakultät der Universität Bonn Plagiat-Software ein, um die eingereichten Abschlussarbeiten zu prüfen. Bereits 2004 hatte die Fakultät ihre Prüfungsordnung verschärft: Seitdem schließen Betreuer und Betreute schriftliche Verträge, in denen Rechte und Pflichten der Beteiligten geregelt werden.

Geplant ist ferner, die Auflagen bezüglich der Kennzeichnung von Zitaten zu verschärfen. Ebenfalls wird in Bonn diskutiert, die Abgabe einer elektronischen Fassung der Dissertation zur Pflicht zu machen. In den Naturwissenschaften ist das bereits Standard. Eine Reihe anderer deutscher Universitäten schreiben die elektronische Version vor.

Die Vorteile liegen auf der Hand, denn der Datensatz lässt sich leicht mit Plagiat-Software nach kritischen Stellen überprüfen. Das Allheilmittel gegen Plagiatoren sind Programme wie PlagAware, Turnitin, Ephorus, PlagScan jedoch nicht. Debora Weber-Wulff und Katrin Köhler von der Hochschule für Technik und Wissenschaft (HTW) Berlin haben die Programme getestet und kommen zum Schluss, dass sie eben keine Wunderwaffen sind: "Selbst die besten Systeme finden höchstens 60 bis 70 Prozent der plagiierten Anteile." Von 26 Programmen auf dem Markt erwiesen sich nur fünf als "teilweise nützlich".

"Crowd" oder "Cloud", ist die Frage. Ist die Recherche vieler Plagiat-Detektive (Crowd) effektiver als die via Software in der Datenwolke (Cloud)? Im Fall Guttenberg war das "Crowd-Sourcing" extrem erfolgreich. Hunderte Analysten hatten seine Dissertation auseinander genommen und die Ergebnisse ins Internet gestellt. Weber-Wulff und Köhler testeten die digitale Version der Guttenberg-Diss mit verschiedenen Plagiat-Softwares: Das Ergebnis war enttäuschend und längst nicht so deutlich wir das der GuttenPlag-Gruppe.

Schon die Gutachter der Universität Bayreuth, die Guttenberg den Titel entzog, rieten zur Skepsis gegenüber der Software. Die Berliner Wissenschaftlerinnen empfehlen den Einsatz mehrerer Erkennungsprogramme, weisen auf den großen Aufwand der Interpretation der Ergebnisse hin. Der aufmerksame, gut informierte Gutachter oder Dozent, der bei Verdacht die Suchmaschine Google einsetzt, ist, so das Fazit, ein guter Ausgangspunkt für die Fehlersuche. Und wenn sich eine "hinreichend große Crowd" findet, hat der Plagiator kaum eine Chance.

Laut Pressestelle der Uni Bonn sind Plagiat-Fälle sehr selten. Vor Jahren hat etwa ein Professor der Philosophischen Fakultät die Arbeit einer Studentin unter seinem Namen veröffentlicht. Spektakulärer ist der Fall des FDP-Europapolitikers Jorgo Chatzimarkakis, der Mitte 2011 seinen Doktortitel verlor. Noch in der Schwebe ist der Fall der FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos. Nach einer Vertagung will die Universität Bonn am 18. April entscheiden, ob Mathiopoulos ihren Titel verliert.

Beide ehemalige Bonner Doktoranden tauchen im Rahmen einer "kritischen Untersuchung" der Plattform VroniPlag Wiki auf, die in Gestalt von Bar-Codes plagiatverdächtige Stellen dokumentiert. Außerdem steht da der Name Martin Winkels, der 2009 in Bonn promoviert wurde und laut VroniPlag 25 Prozent seiner Arbeit abgekupfert haben soll. Laut Pressestelle geht die Philosophische Fakultät dem Verdachtsfall gegenwärtig nach. Die Pressestelle verweist auch auf einen Ombudsmann für "Wistle blower", bei dem "wissenschaftliches Fehlverhalten" online über die Internetseite der Uni gemeldet werden kann.

Insgesamt 18 Dissertationen werden auf VroniPlag einer "kritischen Untersuchung" unterzogen. Darunter ist auch die des gebürtigen Teheraners Bijan Djir-Sarai vor, der für die FDP im Bundestag sitzt. Seine Dissertation wird gegenwärtig von der Universität Köln auf Plagiat-Stellen hin überprüft.

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