Energie Abschied von der Glühbirne

Bonn · Man glaubt es kaum. Heute endet die Ära der Glühbirne in Europa. Per Federstrich aus Brüssel. "Verordnung Nr. 244/2009 vom 18. März 2009 zur Durchführung der Richtlinie 2005/32/EG... im Hinblick auf die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Haushaltslampen mit ungebündeltem Licht." Das kann man ja gerade noch verstehen. Das ist der Tod der Glühbirne, im EU-Sprachgebrauch Glühlampe genannt.

Energie: Abschied von der Glühbirne
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Doch was ist eine Glühlampe? "Glühlampe bezeichnet eine Lampe, bei der das Licht erzeugt wird, indem ein feiner Draht von einem ihn durchfließenden Strom zum Glühen gebracht wird." Was aber ist eine Lampe? "Lampe bezeichnet eine Einrichtung zur Erzeugung von (in der Regel sichtbarem) Licht. "Anders wäre auch schlecht", hätte Ulla Schmidt aus Aachen geantwortet. Was ist eine Lampe mit ungebündeltem Licht? "Eine Lampe, die keine Lampe mit gebündeltem Licht ist".

Wozu das Ganze? Zur Raumbeleuchtung. "Raumbeleuchtung im Haushalt bezeichnet die alleinige oder zusätzliche Beleuchtung eines Raumes im Haushalt durch Ersatz oder Ergänzung des Tageslichts durch künstliches Licht zur Verbesserung der Sichtverhältnisse in diesem Raum." Ganz schön helle, die in Brüssel.

Schluss der Sprachqual. Es ändert auch nichts: Die Glühlampe muss sterben. Heute. Es war ein Sterben in Raten. 2009 war die 100-Watt-Lampe dran, 2010 die 75-Watt-Birne, vergangenes Jahr die 60er und jetzt sind es die 20er und 45er. Aber, dann ist noch lange nicht Schluss - und deshalb muss auch niemand lange trauern.

Denn verboten ist ab heute nur die Produktion und das Inverkehrbringen von solchen Lichtbeschaffungsmaßnahmen. Lampen in Verkehr bringen? Nun ja. Dazu reicht es schon aus, sie im Lager zu stapeln. Und das haben sie alle in Massen getan, die Obis und Praktiker und Hellwegs und und und. Es ist also noch lange nicht Schluss mit Licht.

Mit warmem Licht. Denn das ist der Kern der Geschichte: Der Deutsche liebt es gemütlich, seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten. Früher brauchte er dafür nur die Kerzen, dann den Wolfram-Faden in seiner Glühbirne. Hell, ja das auch, vor allem aber warm. Wohlig. Nicht kühl und kalt wie auf dem Klinikflur. Schön gedimmt wie in der Kneipe. Heimelig halt.

Ja und eben warm. Und das ist wiederum der Kern, weshalb Brüssel die Glühlampe nicht mag. Brüssel? Genau genommen war es ein deutscher Umweltminister namens Sigmar Gabriel, der sich Anfang des Jahrtausends den Kampf gegen die Glühbirne zum Symbolprojekt erkoren hatte, obwohl die Kosten für Beleuchtung gerade mal 1,5 Prozent des Energiebedarfs eines privaten Haushalts ausmachen, bei all den Stand-By-Geräten, den Handys, den PCs. Sei's drum: Gabriel wollte was fürs Klima tun.

Und das tut die Glühbirne auch, aber falsch. Denn 95 Prozent ihrer Energie werden zu Wärme, nur fünf Prozent zu Licht. Eine Lampe aber ist, was überwiegend Licht spendet, sagt die EU - und da ist die Glühbirne weit von weg. Also: Die Glühbirne ist gar keine Lampe. Weg damit.

Das ist nun wirklich schade. denn die Birne gibt sofort ihr ganzes Licht, sie lässt sich dimmen, an ihr kann man sich wunderbar die Finger verbrennen. Und sie ist, wenn sie mal zerspringt, gänzlich ungiftig. Anders als die neumodische Energiesparleuchten. Die sind kalt im doppelten Sinn (geben solches Licht und werden nicht heiß), sie brauchen ewig, bis sie wirklich leuchten,und sie sind giftig, wenn sie zerspringen. Gut für die Umwelt?

Auf jeden Fall erst mal schlecht für den Geldbeutel. Aber die halten zehnmal länger, sagt die Industrie. Kosten Sie deshalb auch das Zehnfache?

Wozu also das Ganze? Zum Energiesparen, sagt Brüssel und vergisst dabei, dass die herkömmlichen Lampen eben auch das tun, für was sie kritisiert werden: Sie heizen. Und weil das bei den Energiesparlampen entfällt, muss man eben anders mehr heizen. Das spart Energie? Und weil das Licht so kalt ist, fühlt man sich kälter. Gefühlte Temperatur - minus! Also dreht man noch weiter auf. Heißt: Das Energiesparargument steht auf tönernen Füßen.

Bleibt das finanzielle Sparargument. Ein normaler Haushalt, sagen die Energieberater, könne im Jahr 150 Euro sparen. Könnte. Erlebt hat das noch niemand. Weil die Lampen ja erst mal zehn Jahre brennen müssten, um zu wissen, ob das stimmt.

Dennoch wird man sich dran gewöhnen müssen, an das Leben ohne Birne, an den Verlust dieses Kulturguts mit Kultstatus. Schließlich ist ja auch die Schallplatte irgendwann irgendwie lautlos verschwunden, die Wählscheibe am Telefon, das Waschbrett (heute nur noch als -Bauch vorhanden, aber nicht all zu oft) oder die Gabriele, die geliebte Schreibmaschine. Manch Findiger versuchte, der EU ein Schnippchen zu schlagen, etwa in dem er Glühbirnen als "Kleinheizgeräte" in den Markt warf. Was ihm schnell verboten wurde.

Apropos Verbot. Fidel Castro forderte auf Kuba schon 2005 das Glühlampenverbot. Erich Honecker (der, wie man weiß, eine hellerleuchtete Volkskammer betrieb, die der Volksmund "Erichs Lampenladen" nannte) ging in die Geschichte der untergehenden DDR mit dem Satz ein: "Der Letzte macht das Licht aus".

Aber so weit ist es eben noch nicht. So weit wird es nicht kommen. Zumal es Warnungen genug gibt. Etwa von den Theaterleuten. "Glühbirnen sind für das Theater zur Zeit unverzichtbar", heißt es bei der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft mit Sitz, jawohl: in Bonn. In Fulda besteht gleich die ganze Theaterdecke aus 2000 Glühbirnen. Nicht mehr lange.

Schlafforscher rügen das kalte neue Licht. Unfallforscher warnen wegen der Lichtverzögerung der Sparlampen: "Das Fehlen sofortigen Lichts kann zu teuren Unfällen führen oder bei einem Herzinfarkt über Leben und Tod entscheiden." Man kann es auch übertreiben.

"Rettet um Gottes willen die Glühbirne" heißt eine Internetplattform. Sie beginnt mit Genesis Kapitel 1 Vers 3: "Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht." Zum Trost: 2014 wird der Glühlampentod amtlich überprüft. Und bis dahin reichen die Lagerreserven. Wetten dass?

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