Kommentar zur Wahl in Österreich Wiener Wunder

Meinung · Der neue Posterboy der europäischen Konservativen, Sebastian Kurz, ließ vergessen, dass seine Partei, die altehrwürdige wie verschlissene ÖVP, mitverantwortlich war für die Politik der vergangenen zehn Jahre, die die Österreicher nun abgewählt haben, kommentiert GA-Redakteur Kai Pfundt.

 ÖVP-Kanzlerkandidat und Außenminister Sebastian Kurz.

ÖVP-Kanzlerkandidat und Außenminister Sebastian Kurz.

Foto: dpa

Ein 31-Jähriger ist der neue starke Mann der österreichischen Politik; die Parteien, die für eine restriktive Ausländerpolitik stehen, gewinnen stark dazu; die schon fast traditionelle große Koalition in Wien ist am Ende; die Rechtspopulisten befinden sich in der Mitte der Gesellschaft: So lautet das Fazit der österreichischen Wahl. Nach einem von Affären und schmutzigen Tricks geprägten Wahlkampf werden die Österreicher künftig aller Voraussicht nach mit starker Mehrheit von einer Koalition aus Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und FPÖ regiert. Genau, das ist jene Partei, wegen deren Regierungsbeteiligung 14 EU-Staaten vor 17 Jahren Sanktionen gegen das Land verhängten.

Der baldige Bundeskanzler Sebastian Kurz hat in seinem Wahlkampf ein kleines Wunder vollbracht. Der neue Posterboy der europäischen Konservativen ließ mit der kompromisslosen Ausrichtung der Kampagne auf seine Person vergessen, dass seine Partei, die altehrwürdige wie verschlissene ÖVP, als Dauerregierungspartei mitverantwortlich war für die Politik der vergangenen zehn Jahre, die die Österreicher nun abgewählt haben.

Doch bei diesem erfolgreichen Schachzug handelt es sich um mehr als einen Taschenspielertrick. Der 31-Jährige hat als Außenminister mit seinen Auftritten in EU-Runden und auf dem UN-Parkett seinem Land eine Bedeutung verschafft, die Österreichs Größe übersteigt. Die ausgeprägte Personalisierung folgte außerdem den Ergebnissen der österreichischen Bundespräsidentenwahl, in der es die Kandidaten der Volksparteien nicht in die Stichwahl schafften.

Die richtige Schlussfolgerung, die Kurz und sein Team zogen, war, einen neuen Ansatz der Politikvermittlung zu finden. Das beträchtliche Risiko hat sich ausgezahlt. Bei einer Niederlage wäre die Karriere von „Wunderwuzzi“ Kurz, wie die Österreicher ihn halb spöttisch, halb bewundernd nennen, wohl stark geknickt worden. Die SPÖ konnte sich zwar dem Abwärtstrend sozialdemokratischer Parteien in Europa entziehen. Aber die Schmutzkampagne, mit der die SPÖ versuchte, ihren Hauptgegner Kurz zu desavouieren, drückt dem respektablen Ergebnis einen gewaltigen Makel auf.

Die verhaltenen Reaktionen auf das starke Abschneiden der rechtspopulistischen Freiheitlichen zeigen, wie stark sich die europäischen Verhältnisse gewandelt haben. Parteien mit nationalistischer Programmatik, die Zuwanderung einschränken oder am liebsten ganz verhindern wollen und den Islam ganz und gar nicht als Teil der eigenen Kultur sehen, sitzen mittlerweile in vielen Parlamenten. Die Rolle als Testlabor der Rechtspopulisten, die Österreich zu Zeiten eines Jörg Haider noch hatte, hat das Land längst abgegeben. Auch wenn Wien unter einer ÖVP/FPÖ-Koalition seine jetzt schon restriktive Flüchtlingspolitik weiter verschärfen würde – mit neuerlichen Sanktionen wird Österreich sicherlich nicht rechnen müssen angesichts der Situation in Ländern wie Ungarn und Polen zum Beispiel.

In Berlin wird der eine oder andere das Wahlergebnis mit klammheimlicher Freude registrieren. Ziehen die Staaten an der Balkanroute die Grenzzäune hoch, reduziert sich nämlich auch in Deutschland der Zustrom von Flüchtlingen und Armutsmigranten.

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