Diskussion bei der GIZ in Bonn Wie im Netz Politik und Propaganda gemacht wird

Bonn · Welche Auswirkungen haben das Internet und speziell die sozialen Netzwerke auf die Demokratie? Drei Experten haben sich dieser Frage in Bonn gestellt.

Plötzlich ging gar nichts mehr, alle Verbindungen gekappt. Die Regierung Togos schaltete in der vergangenen Woche das mobile Internet ab, nachdem es zuvor zu Massenprotesten unzufriedener Bürger gegen Staatschef Faure Gnassingbé gekommen war. Mit einem gezielten Schlag hatte der umstrittene Machthaber der ehemaligen deutschen Kolonie seinen Widersachern ein entscheidendes Werkzeug der demokratischen Mitbestimmung genommen – es war nicht das erste Mal in einem afrikanischen Land.

In vielen Ländern sind soziale Netzwerke ein wesentliches Mittel der politischen Teilhabe und der Meinungsäußerung. Inwiefern das im Einzelfall umgesetzt wird, dazu veranstaltete die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Welle Akademie und dem General-Anzeiger am Donnerstag eine Diskussionsrunde, moderiert von GA-Redakteur Lutz Warkalla.

Für Caja Thimm, Leiterin des Instituts für Medienwissenschaften an der Universität Bonn, war die Erfindung des World Wide Web ein Durchbruch für die Demokratie. „Ich hatte damals die Hoffnung, den Politikern mal meine Meinung sagen zu können und mich politisch einzusetzen.“ Heute sei sie wie andere Medienenthusiasten von damals „ernüchtert“. Über Facebook und Co. erhalte man in der Regel gefilterte Informationen, die speziell dem jeweiligen Nutzer angepasst sind. Das liege zum einen am eigenen Surfverhalten, zum anderen an den Algorithmen der sozialen Netzwerke. „So bleibt jeder Nutzer leider immer in seiner selbstgeschaffenen Informationsblase“, erläutert Thimm.

Dieses Prinzip nutzen viele Politiker gezielt aus, um Menschen über die sozialen Netzwerke zu manipulieren, sagt Steffen Leidel, Leiter „Digitales und Wissensmanagement“ bei der Deutschen Welle Akademie. US-Präsident Donald Trump arbeite gezielt mit der Datenanalysefirma Cambridge Analytica zusammen, um so seine Anhänger über die sozialen Netzwerke zu erreichen. „Durch sogenannte Dark Posts, die nur für ausgewählte User sichtbar sind, können dann Nachrichten verbreitet werden, die Hass schüren“, erklärt Leidel. So sei von Außenstehenden überhaupt nicht zu sehen, wie über Facebook Propaganda gemacht – und auf diese Weise Stimmung erzeugt wird.

Ähnliches hat Isabel Rodde, GIZ-Beraterin, in Kenia beobachtet. Im Vorfeld des Wahlkampfs seien neun von zehn Befragten über Social Media mit Falschmeldungen konfrontiert worden. Zuvor seien auch Internetseiten gehackt worden. Trotzdem seien viele dort froh, überhaupt Facebook zu haben. „Sie sagen, es sei besser als gar nichts“, berichtet Rodde.

In einem Punkt waren sich letztlich alle drei Experten einig: Der freie Zugang zum World Wide Web ist eine elementare Voraussetzung für die Meinungsbildung. Die sozialen Netzwerke können eine wichtige Ergänzung sein. Allerdings müssten künftig globale Regeln aufgestellt werden, um gezielte Manipulation zu verhindern. Das Internet müsse für alle gleich sein.

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