Nach dem Anschlag in Großbritannien Wer war Manchester-Attentäter Salman Abedi?

Manchester · In Großbritannien herrscht Nervosität nach dem Anschlag am Montagabend in Manchester, bei dem ein Selbstmordattentäter 22 Menschen getötet hat. Die Ermittler gehen davon aus, dass Salman Abedi Teil eines Netzwerks war.

Es sind so viele Geschichten. Von Helden und Helfern, von Todesopfern und Terror, von Polizeiarbeit und Politik. Sie alle werden derzeit auf der Insel erzählt und überwältigen die Briten, die versuchen, das Unbegreifliche zu begreifen. 22 Menschen verloren bei dem Terroranschlag am Montagabend in Manchester ihr Leben, darunter zahlreiche Kinder und Teenager. Noch immer laufen die Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat.

Wer war Salman Abedi? Wer war jener Mann, der sich nach dem Popkonzert von Teenie-Star Ariana Grande im Foyer in die Luft sprengte? Die Ermittler versuchen, die Tausende Teile des Puzzles zusammenzusetzen. Insbesondere gehen sie der Frage nach, ob Abedi Teil eines Terrornetzwerkes war, das weitere Anschläge plant. Und inzwischen sind sich die Beamten sicher, dass eine Gruppe den Attentäter unterstützt hat, wie der Polizeichef von Manchester bestätigte.

Höchste Terrorwarnstufe

Als Konsequenz rief Großbritannien nach zehn Jahren erstmals wieder die höchste Terrorwarnstufe aus. Fast 1000 bewaffnete Soldaten werden eingesetzt, um etwa die Ordnungshüter um den Regierungssitz in der Downing Street, den Westminsterpalast oder den Buckingham Palast zu unterstützen oder gegebenenfalls zu ersetzen. Es herrscht Nervosität: So war das Parlament am Mittwoch aus Sicherheitsgründen für Besucher geschlossen. Auf der Suche nach möglichen Komplizen gab es mehrere Razzien, und die Polizei nahm im Süden Manchesters drei weitere Männer fest, die offenbar in Verbindung mit dem Anschlag stehen könnten. Zuvor war bereits der Bruder von Salman Abedi festgenommen worden.

Über den 22-jährigen mutmaßlichen Attentäter kommen derweil immer mehr Details ans Licht. Abedi, dessen Eltern laut Berichten vor dem Gaddafi-Regime aus Libyen ins Königreich geflüchtet sind, wurde 1994 in Manchester geboren, ging in der nordenglischen Stadt zur Schule und lebte in einem für England typischen roten Backsteinhaus mit Vorgarten. Sein Wirtschaftsstudium an der Salford-Universität in Manchester hat der junge Mann, der zwei Brüder und eine Schwester hatte, offenbar abgebrochen.

"Ein ganz normaler Typ"

Von Bekannten wurde er als „zurückhaltend“ und im Umgang als „respektvoll“ beschrieben. Will man den etlichen Berichten glauben, war er ein unauffälliger, ruhiger Mann, „ein ganz normaler Typ“. Im „Guardian“ erinnert sich ein Mitglied der libyschen Gemeinde, dass sich der Vater, Ramadan Abedi, stets klar gegen die Ideologie der Dschihadisten gestellt habe. Ramadan Abedi, der sich zurzeit in Tripolis aufhält, gab nun ein Interview, in dem er seinen Sohn als „unschuldig“ bezeichnete. „Es entspricht nicht unserem Glauben, Unschuldige zu töten. Das sind nicht wir“, sagte er der Nachrichtenagentur Associated Press.

Es gibt jedoch auch Bekannte, die von schlechten Erfahrungen erzählen. So meinte der Imam der lokalen Moschee, Salman Abedi habe ihn einmal mit hasserfülltem Gesicht angeschaut, nachdem der Geistliche in einer Predigt Terrororganisationen wie den selbst ernannten Islamischen Staat (IS) kritisiert und auf die von der Gruppe ausgehenden Gefahren aufmerksam gemacht habe. Und auch Innenministerin Amber Rudd zufolge sei Abedi bereits in der Vergangenheit ins Visier der Behörden gerückt. Offenbar wurde er aber nicht als Hochsicherheitsrisiko betrachtet. Rudd bestätigte jedoch, dass der Brite erst kürzlich aus Libyen nach England heimkehrte. Ihr französischer Amtskollege, Gérard Collomb, sagte, Abedi habe nachgewiesene Verbindungen zum IS und sei wahrscheinlich auch nach Syrien gereist.

Weitere Details zu den Opfern

Nachdem am Dienstag erst zwei der Opfer bekannt waren – eine 18-jährige Studentin sowie ein achtjähriges Mädchen – veröffentlichten die Behörden am Mittwoch weitere Details zu den Getöteten. Die 15-jährige Olivia Campbell, deren Mutter voller Verzweiflung via sozialer Medien nach ihrer Tochter suchte, musste ebenso ihr Leben lassen wie die 14-jährige Schülerin Nell Jones, eine Polizistin oder ein polnisches Pärchen aus York, das seine Töchter nach dem Ende des Ariana-Grande-Konzerts abholen wollte. Auch wenn laut Polizei die Opfer identifiziert sowie die Familien kontaktiert seien, wollte man aufgrund der Untersuchungen noch nicht alle Namen offiziell nennen.

In Manchester bestimmen Trauer und Trotz die Stunden und Tage nach dem schrecklichen Terroranschlag. Auf dem Albert Square in der Innenstadt legten Trauernde Blumen im Gedenken an die Opfer ab, zündeten Kerzen an, hielten sich an den Händen. „Manchester wird zusammenstehen – eine Liebe für alle“, schrieb jemand mit Kreide auf den Boden. Passanten blieben stehen, lasen und nickten. Die Reaktion passt zu jener stolzen Stadt im Norden Englands, die einmal das industrielle Zentrum des Landes war und die als eine der multikulturellsten und tolerantesten der Insel gilt. Projekte zur Integration gewinnen Preise. Initiativen, um unterschiedliche Religionsgruppen zusammenzuführen, finden großen Anklang. Und so kommt es wenig überraschend, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen derzeit vor allem diese Toleranz und Offenheit preist.

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