Kommentar zum Fall Niklas P. Vorsicht

Meinung · Niklas P. wird am Samstag beerdigt. Sein gewaltsamer Tod beschäftigt Tausende von Menschen in Bonn und der Region, macht sie traurig und verunsichert sie zugleich. Was ist los in Bonn?

Die Straßenkriminalität, sagen die Sicherheitsbehörden, ist in den vergangenen fünf Jahren in Bonn eher rückläufig. Doch die gefühlte Realität ist eine andere: Nie, so die Empfindung vieler, war Bonn unsicherer denn heute. Drei Fälle (die nichts miteinander zu tun haben) in zehn Wochen: Sie werden zusammengezogen zu einem Bild. Zu einem Bild, das bedrohlicher wirkt, als es die Realität ist.

Das ist die eine Gefahr, der erliegt, wer verallgemeinert. Pauschale Urteile sind immer falsch. Deshalb auch ist es so schwer, allseits akzeptierte Lehren aus dem Fall Niklas P. zu ziehen. Und doch muss das versucht werden.

Eine der Lehren könnte Vorsicht heißen. Mehr Vorsicht. Sich nicht in Auseinandersetzungen hineinziehen lassen, bei denen verbale Gewalt schnell in körperliche umschlagen kann. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist viel gescholten worden, als sie nach der Silvesternacht jungen Frauen riet, auf Abstand zu achten. Recht hatte sie trotzdem. Wer Ratschläge wie diese berücksichtigt, handelt nicht feige, sondern klug – auch wenn niemand weiß, was geschehen wäre, wenn Niklas P. die Provokation ignoriert hätte..

Vorsicht könnte auch eine der Lehren sein, die Stadt und Polizei ziehen müssen. Mehr Vorsicht. Es ist, beispielsweise, schwer verständlich, warum ein bekannter Problemplatz, wie es das Ende der Rheinallee in Godesberg ist, nicht komplett videoüberwacht wird. Das verhindert Taten, die im Affekt begangen werden, nicht, aber es stärkt Prävention und Kontrolle.

Und schließlich: mehr Vorsicht bei denen, die aus der brutalen Tat einer Wochenendnacht in Bad Godesberg mehr machen wollen. Gemeint sind hier nicht die Trittbrettfahrer, die Niklas' Tod zur eigenen, ganz unterschiedlichen Profilierung nutzen. Gemeint sind hier die unsäglichen Vereinfacher und Verfälscher – nicht nur in den vielfach a-sozialen Medien: Godesberg ist gleich Migration ist gleich Täter. Abgesehen davon, dass jeder Vierte in Bonn einen Migrationshintergrund hat: Was besagt das für die Tat? Hier geht es um Kriminalität und nicht um Nationalität. Sicher wird man über kriminelle Gruppierungen mit ethnischem Hintergrund reden müssen, sicher hätte die Staatsanwaltschaft sich gestern klarer zum Migrationshintergrund äußern sollen. Aber die Zeiten, in denen die Zugehörigkeit zu einer Nation, Rasse oder Religion ausreichte, um Vorurteile und Verdacht zu erzeugen, sollten in Deutschland ein für allemal vorbei sein. Das aber ist leider nur eine Wunschvorstellung.

Die Realität ist eine andere: Mit Pegida und AfD hat das Denken in Freund-Feind-Kategorien erschreckende Ausmaße angenommen. Mehr Vorsicht, mehr Zurückhaltung, mehr Nachdenken sind auch hier dringend geboten.

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