GA-Serie Macht und Mehrheit Von der Last, ein Bundesstaat zu sein

Bonn · 16 Länder bilden die Bundesrepublik. Sie abzuschaffen ist laut Grundgesetz beinahe unmöglich, eine Reform schwierig. Die Kritik am Föderalismus hört nicht auf. Vor allem die kleinen Länder behaupten dennoch ihre Unabhängigkeit.

 Die Länder gehören zur DNA der Republik und lassen sich nicht mehr abschaffen, auch nicht durch eine Änderung des Grundgesetzes.

Die Länder gehören zur DNA der Republik und lassen sich nicht mehr abschaffen, auch nicht durch eine Änderung des Grundgesetzes.

Foto: picture-alliance/ dpa

Wenn es um die Schule geht, sind viele Bundesbürger vom Föderalismus genervt. In Bonn bemüht sich die Kultusministerkonferenz beständig darum, die Fäden zusammenzuhalten. Wer jedoch jemals mit schulpflichtigen Kindern von einem Bundesland in ein anderes umgezogen ist, weiß wie brüchig bildungspolitische Kompromisse sind. Im Alltag klaffen zwischen Bayern und Bremen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen riesige Unterschiede in Ablauf und Anforderung der Schulen. Da die Mobilität der Menschen in den vergangenen Jahren zugenommen hat, ist diese Kritik lauter geworden. Wenn Leistung immer stärker zählt, geraten Kinder aus Ländern mit schwachen Bildungssystemen leicht ins Hintertreffen. Dass der Wettbewerb der Länder um das beste System der Sache eher dient, hilft den Betroffenen im Alltag wenig.

Die Länder waren schon da, als es die Bundesrepublik und auch die DDR noch gar nicht gab. Die Alliierten führten sie nach dem katastrophalen Ende des NS-Regimes wieder ein. Die Länder, so das Kalkül, sollten sich die Macht mit einer Zentralregierung teilen, damit nie wieder eine Diktatur entstehen könnte. Dass viele der heute noch bestehenden Länder am Reißbrett der Siegermächte entstanden, störte diesen Staatsaufbau nicht. Manche Länder waren sehr klein, mache waren sehr schwach in der Wirtschaft, manche spannte regionale Bevölkerungsgruppen zusammen, die sich gar nicht grün waren wie Rheinländer und Westfalen zum Beispiel. Das hat den Ländern nicht geschadet.

Die Länder gehören zur DNA der Republik und lassen sich nicht mehr abschaffen, auch nicht durch eine Änderung des Grundgesetzes. Das sichert sie mit der sogenannten „Ewigkeitsklausel“. Nur wenn es irgendwann einmal eine ganz neue Verfassung geben sollte, könnten sie wegfallen.

Die Dezentralisierung der Alliierten wirkt bis heute fort, denn die Länder sind Staaten mit eigener Verfassung und eigenem Wahlrecht. Sie haben eigene Kompetenzen in der Gesetzgebung und sie wirken bei der Gesetzgebung des Bundes mit. Damit fängt der Ärger an. Die Hoheit über Bildung und Hochschulen lag traditionell bei den Ländern. Kultur insgesamt war ganz überwiegend Ländersache. Justiz und Polizei ebenfalls, auch weil nie wieder ein zentraler Gewaltapparat wie unter Heinrich Himmler entstehen sollte.

Von Anfang an Konstruktionsmängel

Die gute Idee hatte von Anfang an Konstruktionsmängel. Das fängt bei der gemeinsamen Gesetzgebung von Bund und Ländern an. Rund 60 Prozent der Gesetze in Deutschland fallen auch in die Kompetenz des Bundesrats. Dort entscheiden die Landesregierungen. Die Stimmverhältnisse sind alles andere als gerecht. Nordrhein-Westfalen mit beinahe 17 Millionen Einwohnern hat dort sechs der 69 Sitze, Bremen mit 640000 Einwohnern drei. Die Beteiligung macht die Gesetzgebung langsam.

Eigentlich wünscht sich das Grundgesetz gleiche Lebensverhältnisse überall in Deutschland. Die Länder aber sind sehr unterschiedlich wohlhabend und es fehlt ihnen an Möglichkeiten, ihre Haushalte selbst auszugleichen, weil sie keinen Zugriff auf einträgliche Steuerquellen haben. Eine Hochschule in Bayern sieht daher ganz anders aus als eine in Schleswig-Holstein. Die Länder müssen untereinander einen Ausgleich schaffen, der beständig zu Misshelligkeiten führt. Wenn das Saarland als Nehmerland tolle Standards in den Kindergärten einführt, die sich Bayern als Geberland gar nicht leistet, dann sorgt das für Ärger. Wer kein Geld hat wie Bremen, kann nichts gestalten. In vielen Ländern ist die Landespolitik daher kaum mehr in der Öffentlichkeit präsent. Dort wird eher verwaltet. Profilierte Landespolitiker, die es einst in beinahe allen Ländern gab, werden seltener.

Die Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen ist immer schwächer als bei Abstimmungen für den Bundestag. Zuletzt drehte sich der Trend ein wenig. Dafür ist in Deutschland beinahe immer irgendwo Wahlkampf. Kritiker sagen, das verschleppe Entscheidungen zusätzlich.

Der Bund greift immer wieder in Themen ein, die die Länder und auch die Kommunen finanziell auszubaden haben. Das betrifft vor allem die Sozialpolitik, wo der Bund bestimmt, die Länder und Kommunen aber umsetzen. Das Soziale und die Notwendigkeit einheitlicher Regeln erdrücken den Föderalismus. Außerdem hat sich die Welt seit 1945 stark verändert. Die Bundesrepublik als Nationalstaat hat viele Rechte an die EU abgegeben, was die Länder weiter nach hinten rückte. Die Globalisierung ist ein allgemeiner Trend, der kleine Regionen an den Rand drängt.

Reformbedarf ist ständig vorhanden

Reformbedarf ist daher ständig vorhanden. Zuletzt einigten sich Bund und Länder auf eine neue Finanzverteilung, die den armen Ländern helfen soll und den Bund stärker in die Pflicht nimmt. Dafür darf der Bund in der Kulturpolitik mitmischen. Manche sehen dies als das Ende des Föderalismus.

Und was ist mit den Vorteilen? Davon gibt es eine ganze Menge. Viele Entscheidungen werden nah an den Menschen getroffen und geraten nicht so weltfremd wie in zentralistischen Staaten. Der Wettbewerb der Bundesländer sorgt für bessere Lösungen, zumal in Ländern Modelle gegen politische Probleme leichter ausprobiert werden können als im Bund, wo gleich immer alle mitziehen müssen. Außerdem wachsen in den Ländern politische Talente heran, die am Ende größere Verantwortung übernehmen können: Helmut Kohl war so ein Fall, Helmut Schmidt oder Willy Brandt. Und es bleibt der zentrale Vorteil für die Demokratie: Kein Land ist vor gefährlichen populistischen Kräften besser gesichert als Deutschland. Die Länder sind als Bollwerke der Demokratie gegründet. So funktionieren sie bis heute.

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