Brexit Theresa Mays Nachfolger laufen sich warm

LONDON · Die Brexit-Gespräche zwischen Regierung und Opposition sind nach wochenlangen Gesprächen gescheitert. Für Premierministerin May bedeutet dies einen weiteren Rückschlag.

 Labour-Chef Jeremy Corbyn begründete das Scheitern der Verhandlungen mit unüberbrückbaren „politischen Differenzen“.

Labour-Chef Jeremy Corbyn begründete das Scheitern der Verhandlungen mit unüberbrückbaren „politischen Differenzen“.

Foto: AP

Da redeten sie und diskutierten und stritten wochenlang hinter verschlossenen Türen der Downing Street. Doch einig wurden sich die konservative Regierung unter Premierministerin Theresa May und die Spitze der Labour-Partei offenbar nur selten, wie bereits seit Wochen gemunkelt wurde. Und so kam es am Freitag auch nicht als Paukenschlag daher, dass der Oppositionsführer Jeremy Corbyn die Gespräche über einen Kompromiss im Brexit-Streit für gescheitert erklärte.

„Wir waren nicht in der Lage, gewichtige politische Differenzen zwischen uns zu überbrücken“, schrieb Corbyn in einem Brief an May. Die Verhandlungen seien „so weit gegangen, wie es möglich war“, doch aufgrund der „zunehmenden Schwäche und Instabilität“ der Regierung unter May könnte man sie nicht weiterführen.

Für die Premierministerin bedeutet dies einen weiteren Rückschlag. Welche Optionen bleiben ihr jetzt noch, um das gefühlt unendliche Brexit-Drama zu einem vorläufigen Ende zu bringen? Ende März hatte sie – für etliche Beobachter viel zu spät – die überparteilichen Gespräche eingeleitet, nachdem das zwischen London und Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen drei Mal im Parlament gescheitert war. In der Folge verlängerte die EU ihr zweimal die Scheidungsfrist.

Theresa Mays Hoffnung, dass sie den Deal Anfang Juni vom Unterhaus gebilligt bekommt, um so zu verhindern, dass britische Europa-Abgeordnete am 2. Juli ihr Mandat antreten, dürfte mit Corbyns Absage dahin sein. Zu sehr ist die von ihr geführte Minderheitsregierung auf die Unterstützung der Sozialdemokraten angewiesen. Zu groß sind die Streitereien innerhalb der konservativen Partei über den richtigen Brexit-Kurs. Und zu massiv steht May unter Druck der Rebellen in den eigenen Reihen, die ihren regelmäßig Abgang fordern.

Noch in diesem Sommer, so versprach sie jetzt, würde sie den Zeitplan für ihren Rückzug festsetzen. Ob das die aufgeregten Gemüter beschwichtigt? Seit Monaten bringen sich mögliche Nachfolger in Stellung. So hatte erst am Donnerstag der ehemalige Außenminister Boris Johnson, seines Zeichens Brexit-Wortführer und Sprachrohr der Hardliner, seine Ambitionen bestätigt. „Natürlich werde ich mich bewerben“, sagte der exzen-trische Politiker. Statt mit wirrem Haar, das er zu seinem Markenzeichen machte, präsentierte er sich mit aufgeräumter blonder Mähne. Auch etliche andere Minister und Ex-Minister meldeten durch Home-Stories, in Interviews oder via Meinungsbeiträge ihr Interesse für den Posten an.

Für Labour, selbst innerparteilich über den Brexit gespalten, stellte diese personelle Unsicherheit eines der Kernprobleme dar. So wies Corbyn auf die Bedenken hin, dass ein Nachfolger sich an die Absprachen zwischen Tories und den Sozialdemokraten halten würde. Zwar betonten sowohl er als auch May, dass die Verhandlungen „konstruktiv und mit guter Absicht“ geführt worden wären. Davon hat das Brexit-müde Königreich aber herzlich wenig. Die Regierung unter May steht wieder am Anfang. Und bis zum 31. Oktober, dem aktuellen Brexit-Tag, mag es noch lange hin erscheinen. Doch alles deutet darauf hin, dass die Briten abermals wertvolle Zeit vergeuden. Schon jetzt prophezeien Beobachter einen heißen Herbst.

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