Auswirkungen des Bahnstreiks in der Region So verlief der Bahnstreik in Bonn und im Rheinland

Bonn · Der Warnstreik der Gewerkschaft EVG hat die Bahnverbindungen in der Region am Montag lahmgelegt. Manche Züge fuhren mit 220 Minuten Verspätung, andere gar nicht. Auch auf den Autobahnen zwischen Rhein und Ruhr herrschte Chaos.

 Ratlosigkeit bei vielen Reisenden: Im Bonner Hauptbahnhof bildet sich eine lange Warteschlange vor dem Informationsschalter der Bahn.

Ratlosigkeit bei vielen Reisenden: Im Bonner Hauptbahnhof bildet sich eine lange Warteschlange vor dem Informationsschalter der Bahn.

Foto: Benjamin Westhoff

Es gibt die Verblüfften und es gibt die Informierten an diesem Montagmorgen am Bonner Hauptbahnhof. Knut und Lisa Hammes gehören zu den ersteren. Sie stehen vor den Aufgängen zu den Gleisen und schauen einigermaßen verzweifelt drein. Was dieser recht kurzfristig angekündigte Warnstreik der Bahnmitarbeiter ihnen bringt, liest sich auf der Informationstafel nahe den Aufzügen wie folgt: IC nach Stuttgart, Abfahrt 7.14 Uhr, 220 Minuten Verspätung; IC Richtung Hamburg, Abfahrt 7.46 Uhr, 210 Minuten Verspätung; IC Richtung Greifswald, 10.46 Uhr, und IC Richtung Norddeich-Mole, 11.23 Uhr: Zug fällt aus. „Jetzt müssen wir schauen, wie wir weiter Richtung Hannover kommen“, sagen die Hammes'. Auf Gleis 2/3 suchen sie verzweifelt nach einem Mitarbeiter der Deutschen Bahn, der ihnen weiterhelfen kann. Doch die Schlange der Ratsuchenden ist lang, sehr lang.

Matthias und Mary Busch versuchen per Bahn-App ihre Fahrt Richtung Wolfsburg so optimal wie möglich zu gestalten. Gegen 10.45 Uhr steigen sie in den Regionalzug nach Köln und hoffen auf einen passenden Anschluss. „Für uns kam das mit dem Streik doch recht überraschend.“ Über die App wurde die Arbeitsniederlegung zumindest nicht so eindeutig kommuniziert, dass sie als regelmäßige Pendler gewusst hätten, wie sie sich am geschicktesten verhalten sollen, um ihr Ziel zu erreichen.

Ein paar Kilometer den Rhein herunter sieht es nicht besser aus. Auf dem Höhepunkt des Warnstreiks in den frühen Morgenstunden sind auf den Anzeigentafeln im Kölner Hauptbahnhof nur noch Xe zu lesen. Kaum ein Zug kommt noch an, so gut wie keiner fährt ab. Stillstand. Bewegung gibt es ausschließlich unter den Tausenden Reisenden, die im Bahnhofsgebäude festsitzen. Wie viele Pendler genau in Köln betroffen waren und wie viele Züge dort ausgefallen sind, kann die Bahn nicht sagen. „Wir haben die Zahlen nicht bahnhofsscharf“, sagt ein Sprecher.

Auto war keine bessere Alternative

Viele Reisenden stellten sich in den langen Warteschlangen vor den Infoschaltern an. Weil die Mitarbeiter dem Informationsbedarf nicht mehr nachkommen, hat die Bahn zusätzliches Personal in den Bahnhof geschickt. Wer Glück hat, kann vielleicht noch einen Regionalzug erwischen, der „nur“ eine Stunde dem Fahrplan hinterherhinkt. „Wir haben zurzeit Verspätungen von bis zu 200 Minuten“, sagt eine Servicekraft der Bahn. Allerdings gilt auch das nur für Bahnen, die fahren. Denn die Fernzüge stehen still. Schon bevor der Regionalverkehr um 8 Uhr lahm liegt, hatte die Bahn bereits bundesweit den Fernverkehr gestoppt. Insgesamt 25 zentrale Stellwerke wurden nach Bahnangaben bestreikt. „Wenn keine Signale und Weichen gestellt werden, kann auch kein Zug fahren“, sagte ein Bahnsprecher in Düsseldorf.

Peter Norten trinkt erst mal einen Kaffee. Düsseldorf sollte an diesem Tag sein Ziel werden. Dass das wegen des Streiks schwierig werden würde, hatte er gewusst. „Was soll ich machen? Auto ist doch auch keine Alternative, da stünde ich nun nur im Stau“, sagt er und ergibt er sich in sein Schicksal.

Recht hat er: Der Kölner Autobahnring ist an diesem Morgen noch dichter als sonst an Werktagen im Berufsverkehr. Auf den großen Zufahrtsstraßen in Köln gibt es kilometerlange Blechschlangen. Besonders angespannt ist die Lage auf der Luxemburger Straße. Unter der Bahnbrücke kurz vor dem Barbarossaplatz hatte ein Lkw die Fahrleitung abgerissen. Die Polizei sperrte die Zufahrtsstrecke zur besten Pendlerzeit in beide Fahrtrichtungen – Chaos.

Recht chaotisch geht es auch am späteren Vormittag noch auf den Gleisen am Bonner Hauptbahnhof zu. Eigentlich sollte der Warnstreik nur bis 9 Uhr dauern. Ab diesem Zeitpunkt fahren auch zumindest eine ganze Reihe von Regionalzügen wieder einigermaßen verlässlich. Im Fernverkehr läuft es dagegen deutlich schlechter.

Berufspendler gelassen

Mit der Gelassenheit der Berufspendlerin nimmt dies Angelika Krobok. Sie wollte eigentlich um 12.20 Uhr mit dem Schnellzug nach Berlin fahren. „Ich habe mir nun einen Zug rausgesucht, der eine Stunde früher fährt und werde in Köln noch einmal umsteigen“, sagt die Bonnerin. Sie gehört zu den Informierten und hat bereits umgeplant. „Für die Streikenden habe ich durchaus Verständnis. Wenn ich ein oder zwei Stunden später ankomme, ist das auch nicht so tragisch“, sagt sie.

Ratlosigkeit auch am Siegburger Bahnhof: Welcher Zug fährt und welcher nicht? Die streikbedingten Ausfälle und Verspätungen haben auch nach 9 Uhr noch deutliche Auswirkungen. Ein Problem: Auf der Internetseite der Deutschen Bahn, in der DB-App und an den Anzeigetafeln im Bahnhof gibt es unterschiedliche Angaben. „Wir steigen in den nächsten Zug ein, der hält“, sagen Reisende, die sich bei fünf Grad Celsius Außentemperatur in eine überdachte Wartenische am Bahnsteig in Richtung Frankfurt zurückgezogen haben. 135 Minuten Verspätung werden für den ICE Richtung Freiburg angezeigt, 150 Minuten für den ICE Richtung München. „Unbestimmt verspätet“ steht hingegen hinter mehreren regionalen Verbindungen in Richtung Köln, Düren oder Hennef, so zum Beispiel für die S 19 um 6.12 Uhr nach Blankenberg. Auch eine halbe Stunde nach Streikende um 9.30 Uhr ist die Anzeigetafel nicht aktualisiert.

Viele Pendler sind offenbar gleich aufs Auto umgestiegen. „Erst die Verspätungen und Ausfälle nach dem ICE-Brand, jetzt der Streik – so langsam schwindet bei meinem Arbeitgeber und vor allem bei den Kollegen das Verständnis“, sagt ein Frankfurt-Pendler aus Siegburg dem GA. Der Streik am Montag kam einen Tag nach dem Fahrplanwechsel, der für die Siegburger ohnehin Einschränkungen mit sich bringt: vier ICE-Halte pro Tag weniger, weil auf der Schnellstrecke Köln-Rhein/Main der langsamere ICE 4 getestet wird, der auch weniger Sitzplätze bietet.

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