Änderungen bei italienischem Wahlrecht So könnte Silvio Berlusconi neue Macht erlangen

Rom · Italien wählt künftig nach geänderten Regeln. Das könnte dem früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wieder zur Macht verhelfen.

 Silvio Berlusconi könnte vom neuen Wahlrecht profitieren.

Silvio Berlusconi könnte vom neuen Wahlrecht profitieren.

Foto: dpa

Denis Verdini ist ein erstinstanzlich wegen Betrug, Korruption und Bankrott verurteilter Unternehmer, der früher einer der engsten politischen Weggefährten von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi war. Von Berlusconi hat sich der Toskaner vor über zwei Jahren losgesagt, um mit einer konservativen Splitterpartei die sozialdemokratischen Regierungen von Enrico Letta, Matteo Renzi und nun Paolo Gentiloni zu unterstützen. Am Donnerstag waren die 14 Senatoren seiner Fraktion entscheidend bei der Verabschiedung des neuen italienischen Wahlgesetzes. „Dieses Gesetz ist kein Handstreich, kein Staatsstreich, sondern der bestmögliche Kompromiss für eine Legislatur, die insgesamt ein großer Kompromiss war“, sagte Verdini im Senat. Der Ex-Bankdirektor sprach von Jesus, Pontius Pilatus und wirkte von der eigenen Bedeutung wie beschwipst.

Dass der ehemalige Weggefährte Berlusconis eine der entscheidenden Figuren der ablaufenden Legislatur ist, steht unzweifelhaft fest. Verdini verschaffte vor allem dem heutigen Parteichef der Sozialdemokraten, Matteo Renzi, bei verschiedenen Gelegenheiten im Parlament die entscheidenden Stimmen. Es ist davon auszugehen, dass der dubiose Toskaner oder vergleichbare Kräfte auch in der kommenden Legislaturperiode eine gewichtige Rolle spielen werden. Die steht nach der Verabschiedung des Wahlgesetzes vor der Tür. Das Parlament muss noch das Haushaltsgesetz verabschieden, dann wird es voraussichtlich im März zu Neuwahlen kommen.

Die Verabschiedung eines Wahlgesetzes mag in reifen Demokratien ein Routineakt sein. In Italien muss man den nun erzielten und höchst umstrittenen Kompromiss des Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Lagers beinahe als historisch bezeichnen. Seit 2005 wählten die Italiener mit einem Wahlgesetz, das wegen seiner Unausgewogenheit selbst von seinem Erfinder als „Schweinerei“ bezeichnet wurde. Sämtliche Versuche einer funktionstüchtigen Reform schlugen fehl. Eines der jüngsten Fettnäpfchen war das von Renzi initiierte Referendum für eine Verfassungsänderung, das im Dezember 2016 scheiterte. Der Ministerpräsident trat zurück, bereits für den Erfolg der Reform konzipierte Wahlgesetze wurden teilweise vom Verfassungsgericht kassiert. Erst jetzt haben sich die Parteien mit Ausnahme der 5-Sterne-Bewegung und des linken Lagers zu einer Wahlrechtsreform durchgerungen.

Das neue Gesetz trägt nach dem Renzi-Vertrauten und Fraktionschef der Sozialdemokraten Ettore Rosato den Namen „Rosatellum“ und ist eine Mischung aus Verhältniswahlrecht und Mehrheitswahlrecht. 36 Prozent der insgesamt 945 Abgeordneten und Senatoren werden in Einer-Wahlkreisen bestimmt, der Rest über von den Parteizentralen vorbestimmte Listen. Für den Einzug ins Parlament gilt eine Drei-Prozent-Hürde, Wahlkoalitionen müssen mindestens zehn Prozent der Stimmen für den Einzug erreichen. Kritisiert wird vor allem, dass Kleinparteien auf diese Weise erpresserische Macht erlangen. Denn die Wahlkoalitionen sind nicht zum Zusammenhalt nach der Wahl verpflichtet. Kleinparteien werden für die Mehrheitsfindung auch künftig entscheidend sein.

Seit Wochen werden in den italienischen Medien Szenarien für künftige Regierungsbündnisse durchgespielt. Dabei gilt eine Pattsituation zwischen den stärksten Kräften derzeit als die wahrscheinlichste Variante. Die 5-Sterne-Bewegung von Komiker Beppe Grillo, die das Wahlgesetz scharf kritisiert, kommt Umfragen zufolge auf rund 27 Prozent, ebenso wie Renzis Demokratische Partei (PD). Eine Mitte-Rechts-Koalition aus Berlusconis Forza Italia, Lega Nord und Fratelli d'Italia käme heute auf etwa 34 Prozent der Stimmen. Einen echten Wahlsieger gäbe es nach diesen Machtverhältnissen nicht. Da sich aber die 5-Sterne-Bewegung bisher jeder Art von Koalition mit anderen Parteien verschließt, halten viele politische Beobachter ein Regierungsbündnis zwischen Renzi und Berlusconi für unumgänglich. Steigbügelhalter wie Denis Verdini wären dann gewiss willkommen.

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