Kommentar zum Tag der Pressefreiheit Projekt Aufklärung

Meinung | Bonn · Freie Medien sind nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts in demokratisch verfassten Ländern, kommentiert Dietmar Kanthak.

 Das Wort Pressefreiheit ist in einem Ausschnitt des Artikels 5 des Grundgesetzes auf einer Glasscheiben am Außenhof des Jakob-Kaiser-Hauses zu sehen.

Das Wort Pressefreiheit ist in einem Ausschnitt des Artikels 5 des Grundgesetzes auf einer Glasscheiben am Außenhof des Jakob-Kaiser-Hauses zu sehen.

Foto: dpa

Die Einschläge kommen näher. Jahrelang hat die Öffentlichkeit mit leichtem Gruseln die von der unabhängigen, als seriös geltenden Organisation „Reporter ohne Grenzen“ ermittelten Ranglisten der Pressefreiheit studiert. Auf Platz 180 (von 180) stand und steht Nordkorea. Davor rangieren Eritrea, Turkmenistan, Syrien und China. Die Türkei belegt Platz 157. Alles keine Überraschungen.

Doch wer sich die Statistik 2018 vornimmt, wird erkennen, dass die Feinde der Pressefreiheit zunehmend auch in der politisch-geografischen Nachbarschaft zu Hause sind. Vier der fünf Länder, deren Platzierung sich in den 180 untersuchten Staaten binnen eines Jahres signifikant verschlechtert hat, liegen in Europa. Das EU-Kandidatenland Serbien ist um zehn Ränge auf Platz 76 abgerutscht. Die EU-Mitglieder Malta (65), Tschechien (34) und die Slowakei (27) gehören ebenfalls zu den Verlierern. Auch für Polen und Ungarn zeigt der Pfeil nach unten.

Die Gründe für die Entwicklung sind vielfältig. In Malta zum Beispiel hat nach Ansicht von „Reporter ohne Grenzen“ der Mord an der Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia offenbart, wie eng in dem Land Politik, Wirtschaft und Justiz miteinander verflochten sind. In Osteuropa wiederum ist eine zunehmende staatliche Einflussnahme auf die Berichterstattung zu beobachten. In Polen hat sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk unfreiwillig in das Sprachrohr der national-konservativen Regierung verwandelt. Die Polemik gegen kritische Journalisten nimmt in osteuropäischen Ländern häufig unappetitliche Formen an. Im rhetorischen Repertoire finden sich Vokabeln wie „Verräter“ und „Terroristen“.

Der amerikanische Präsident Donald Trump macht es eine Nummer kleiner und qualifiziert unliebsame Medien als Fake-News-Lieferanten ab. Den ohnehin nicht unterentwickelten Widerstandsgeist der US-Journalisten hat er damit nur gestärkt. Sie arbeiten umso engagierter am Projekt Aufklärung.

Der deutsche Historiker Volker Reinhardt sieht in der Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit eine existenzielle Gefahr für pluralistische Gesellschaften. Was 1600 auf radikale Weise mit der Hinrichtung des italienischen Priesters, Dichters, Philosophen und Astronomen Giordano Bruno begonnen habe, setze sich heute mit subtileren Mitteln, aber ebenso verheerenden Folgen fort: „Wer die Freiheit der Ideen einschränkt, betreibt das Geschäft der Inquisition und untergräbt die Fundamente der Demokratie, denn diese beruht auf dem Prinzip, dass sich Staatsbürgerinnen und Staatsbürger selbstständig, ohne sortierende Bevormundung, ihre Meinung bilden.“

Freie Medien sind nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts in demokratisch verfassten Ländern. Als vierte Gewalt leisten sie eine verdienstvolle, unverzichtbare Arbeit, indem sie recherchieren, aufklären und Stellung beziehen – in dieser Reihenfolge.

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