Kommentar zur Verschärfung der Lage im Mittelmeer Politikverweigerung

Meinung · Man hängt lieber Kreuze in Behörden auf, als sich mit konkreten Fragen zu beschäftigen. Das ist eine lärmende, sinnlose Form der Politikverweigerung, kommentiert Helge Matthiesen.

 Gerettete Migranten verlassen am Hafen von Pozzallo ein dänisches Containerschiff.

Gerettete Migranten verlassen am Hafen von Pozzallo ein dänisches Containerschiff.

Foto: dpa

Die Flüchtlingskrise ist nicht gelöst und sie bleibt ein großes humanitäres Pro-blem. Unsere Politiker reden lieber über ein paar Nebenaspekte des Asylrechts, anstatt sich dieser großen Frage endlich zuzuwenden. Sie drücken sich vor ein paar schwierigen und unpopulären Entscheidungen, die ganz gewiss ihr persönliches moralisches Grundgerüst ins Wanken bringen werden. Einerseits wissen sie, dass es auch in der Politik so etwas wie unterlassene Hilfeleistung gibt. Andererseits ist auch klar, dass die westeuropäischen Gesellschaften nur noch ungern weitere Flüchtlinge aufnehmen. Wer also die Fluchtrouten nicht schließt, wird womöglich abgewählt.

Italien verschärft nach dem Regierungswechsel gerade mutwillig diese Krise, indem es bestimmte Flüchtlingsboote an Land lässt, andere aber nicht. Normale Schiffbrüchige auf Containerschiffen dürfen kommen. Wenn Kapitäne gezielt Flüchtlinge aufnehmen und in die EU bringen, wird die Weiterfahrt unmöglich gemacht. Humanitäre Gesten wie jüngst in Spanien fallen derzeit schon auf. Damit wird der Druck auf all jene erhöht, die sich nicht so einfach von den gültigen moralischen Standards verabschieden wollen. Wer religiös orientiert ist, darf auch an christliche Nächstenliebe denken oder Humanität. Angela Merkel gehört dazu.

Die Deutsche Bischofskonferenz hat noch einmal an ein Fundament unseres Miteinanders erinnert: Niemand hat das Recht, Schiffbrüchigen Hilfe zu verweigern, auch wenn er diese Menschen nicht als Nachbar haben möchte. Auch wenn sie sich selbst dem Risiko auf See ausgesetzt haben. Wenn Europa diese Menschen nicht aufnehmen will, muss es sich etwas anderes einfallen lassen als eine tödliche Falle im Mittelmeer. Das ist christliches Gebot.

Dieses Gebot schützt uns alle vor willkürlicher Gewalt. Denn es ist nur ein kleiner Schritt, auch andere Menschen als die Flüchtlinge nach Sympathie oder Nützlichkeitserwägungen mal besser und mal schlechter zu behandeln, ihnen das Leben zu nehmen. Menschenrechte sind unteilbar. So steht es im ersten Satz unseres Grundgesetzes – als Konsequenz aus zwölf Jahren Unmenschlichkeit.

Was fehlt, sind pragmatische Lösungen und Handlungswille. Man hängt lieber Kreuze in Behörden auf, als sich mit konkreten Fragen zu beschäftigen. Man streitet lieber über Details des Asylrechts, als sich einmal das ganze Thema vorzunehmen. Das ist eine lärmende, sinnlose Form der Politikverweigerung.

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