Brexit May in der Kritik für hinausgezögerten EU-Austritt

London · Die Premierministerin wird für ihre Entscheidung, den EU-Austritt hinauszuzögern, heftig kritisiert Auch ein Kompromiss mit der Labour-Party ist nicht in Sicht.

 Pro-Europa-Demonstrantin in Sheffield.

Pro-Europa-Demonstrantin in Sheffield.

Es sollte am Donnerstag immerhin eine gute Nachricht geben im britischen Parlament in London: Urlaub. Bei der Verkündung, dass die Abgeordneten eine zwölftägige Pause bekommen würden, hallten Beifallsrufe durch das Unterhaus. Sie klangen nach echter Erleichterung.

Diejenige, die sich aber am meisten nach einer Auszeit sehnen dürfte, heißt Theresa May. Die Premierministerin musste am Donnerstag abermals den Parlamentariern Rede und Antwort stehen, nachdem sie sich in der Nacht zuvor beim EU-Sondergipfel mit den übrigen 27 Mitgliedstaaten auf eine Verschiebung des Brexit-Termins geeinigt hatte (siehe Bericht unten). Das Vereinigte Königreich erhält für den Austritt aus der Staatengemeinschaft ein halbes Jahr mehr Zeit.

Dass das Datum ausgerechnet auf den 31. Oktober fällt, empfanden derweil viele Beobachter als passendes Bild. „Mays Halloween-Horror“, titelte etwa die Boulevardzeitung „Daily Mail“ und verwies wie beinahe alle Medien auf den Volksbrauch am Abend des 31. Oktober. Wieder einmal stand May im Fokus der Entrüstung.

Von allen Seiten hagelte es Kritik auf die Regierungschefin für ihre Entscheidung, den Brexit hinauszuzögern. Sie sei sich wohl bewusst, dass das ganze Land von der Verzögerung „frustriert“ sei und dass die Abgeordneten dadurch unter „immensen Druck“ gesetzt würden, verteidigte sich die Regierungschefin. Forderungen nach einem erneuten Referendum erteilte sie jedoch abermals eine Absage. „Ich glaube daran, dass wir die Europäische Union sobald wie möglich mit einem Deal verlassen“, sagte May.

Doch wie sie das Königreich aus der Sackgasse manövrieren will, bleibt weiter unklar. Das zwischen Brüssel und London ausgehandelte Austrittsabkommen ist bereits drei Mal durch das Parlament gefallen. Und auch wenn die konservative Regierungschefin derzeit Gespräche mit der Spitze der Labour-Partei führt, zeichnet sich bislang kein Kompromiss ab. Mehr noch, Oppositionschef Jeremy Corbyn kritisierte May am Donnerstag scharf. Der Aufschub des Scheidungstermins sei „ein diplomatischer Fehler“ und ein „Meilenstein des falschen Handelns der Regierung im ganzen Brexit-Prozess“, sagte er. Corbyn fordert seit Monaten Neuwahlen.

Die schwersten Angriffe aber kamen aus den eigenen Reihen von Mays Konservativer Partei. Die ohnehin angeschlagene Premierministerin steht nach der Verzögerung unter massivem Druck der radikalen Europaskeptiker, die ihren Rücktritt fordern und hinter sowie mittlerweile auch vor den Kulissen über Nachfolger diskutieren. Ex-Brexit-Minister David Davis warnte, die Rufe nach Mays Ende in der Downing Street würden nun „dramatisch“ zunehmen. Die Hardliner bezeichnen den Aufschub des Brexit-Termins als „Verrat“. So verurteilte etwa Bill Cash im Unterhaus Mays „unterwürfige Kapitulation“ in Brüssel und fragte ganz offen: „Werden Sie zurücktreten?“

Die Regierungschefin versuchte die Attacken wegzulachen und wandte sich an die Labour-Abgeordneten. Mit deren Hilfe will sie den Deal doch noch gebilligt bekommen. „Lasst uns die Sitzungspause nutzen, um über jene Entscheidungen nachzudenken, die wir schnell nach unserer Rückkehr nach Ostern machen müssen“, rief sie die Abgeordneten auf. Sollte das Parlament dem Austrittsvertrag noch vor dem 22. Mai zustimmen, könnte das Land nicht nur schon früher die Union verlassen, sondern vor allem eine Teilnahme an den Wahlen zum EU-Parlament, die am 23. Mai beginnen, vermeiden.

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