Unversöhnliche Debatte Kitas in Essen wehren sich gegen Impfgegner

Berlin/Düsseldorf · Angesichts einer Zunahme von Masernausbrüchen hatte jüngst die Weltgesundheitsorganisation Alarm geschlagen. Nun machen erste Kita-Einrichtungen ernst.

In der oft unversöhnlich geführten Debatte um das Impfen gegen Masern und andere Krankheiten haben Kindertagesstätten in Essen Fakten geschaffen. Fünf Kitas, die zum Träger Kindertagesbetreuung Behrwind gehören, nehmen als erste in der Region nur noch geimpfte Kinder auf – und gehen so gegen Impfgegner vor. Experten wünschen sich das als Regelfall in den Einrichtungen. „Natürlich sollten jetzt andere Kitas dem Beispiel von Essen folgen“, sagte der Sprecher des Berufsverbandes der Kinderärzte, Hermann Josef Kahl.

Angesichts einer Zunahme von Masernausbrüchen hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Alarm geschlagen. 2017 waren in Europa knapp 24.000 Menschen an Masern erkrankt, 2016 waren es nur gut 5200. In Deutschland hatte es 2018 rund 530 Fälle gegeben, 209 davon in NRW. Jetzt sprach die WHO ein Machtwort: Sie erklärte mangelnde Impfbereitschaft zu den gegenwärtig größten Gesundheitsrisiken der Welt. Von ihrem Ziel, die Masern bis 2020 auszurotten, ist die WHO weit entfernt.

Der Sicherheitsaspekt zählt

Für Jutta Behrwind, Geschäftsführerin der fünf privaten Kitas in Essen, zählte der Sicherheitsaspekt, um die Impfpflicht durchzusetzen. „Wir haben schon Kinder ab vier Monaten bei uns, die können noch gar nicht gegen alles geimpft sein.“ Außerdem kämen täglich Geschwisterkinder und schwangere Mütter in die Einrichtungen. „Auch für die tragen wir Verantwortung.“ Die Maßnahme richte sich nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) und sei mit der Kita-Leitung und den Elternvertretern besprochen worden. Alle seien sich einig gewesen, sagte Behrwind.

Doch das ist längst nicht überall so. Mitunter stehen Eltern Impfungen kritisch gegenüber, fürchten Risiken und Impfschäden. In Internetforen tauschen sie sich aus, teils sollen sie sogenannte Masernpartys organisieren. Dabei treffen gesunde auf erkrankte Kinder, damit es zu Ansteckungen kommt. Bereits 2005 gerieten Eltern an einer Montessori-Schule in Oberbayern in den Verdacht, solche Partys organisiert zu haben.

Vorsätzliche Körperverletzung

Auch im Berliner Szenebezirk Prenzlauer Berg häuften sich Meldungen. Ärzte warnen vor solchen „Partys“ und sehen gar den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung erfüllt. „Impfschutz ist vor allem auch für jene Kinder wichtig, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können“, sagte Kinderarzt Kahl. Zu dieser Kategorie gehören etwa an Leukämie erkrankte Kinder. Aber auch Erwachsene mit Immunschwäche und Säuglinge sind gefährdet, für sie können Masern tödlich sein.

Doch eine Impfpflicht gibt es bis heute nicht. Die meisten Kitas halten es wie die Diakonie Düsseldorf. „Wir befürworten, dass die in unseren Einrichtungen betreuten Kinder geimpft werden“, sagte Sprecher Christoph Wand. Die Eltern müssten bei Anmeldung eine Impfberatung nachweisen.

Dabei ist das Thema längst auf der Agenda der Bundespolitik. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich 2015 als gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion offen gezeigt für die Einführung einer Impfpflicht. Damals sprach er von einer „historischen Chance, jetzt endlich über eine Pflicht zur Impfung die Masern in Deutschland auszurotten“. Ob er dies nun als Ressortchef aufgreifen wird, ist offen.

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