Kommentar zur SPD In der Zange

Meinung · Die SPD ist eine Volkspartei der linken Mitte. Sie muss nicht neu erfunden oder gar gegründet werden. Sie muss vor allem sich treu bleiben und an sich glauben, kommentiert Holger Möhle.

 Die Zukunft der SPD ist ungewiss.

Die Zukunft der SPD ist ungewiss.

Foto: dpa

Die schlechte Nachricht zuerst: Nach unten ist noch Luft. Die gute Nachricht: Es gibt auch Leben (und vor allem Mehrheiten) oberhalb von 20,5 Prozent. Also auf in die Schlacht, die in diesem Fall ein SPD-Sonderparteitag ist. Die deutsche Sozialdemokratie hat in den 154 Jahren ihrer ebenso langen wie bewegten Geschichte viele Krisen durchlebt und ausgestanden. Wenige waren so grundsätzlich wie diese. Die SPD steckt in der Klemme, sie steht am Scheideweg.

Wenn Martin Schulz und seine Genossen tatsächlich in eine nächste große Koalition marschieren sollten, worüber ganz am Ende die 440 000 Mitglieder der SPD entscheiden werden, stellt sich die Frage: Wird sie auch in dieser dann dritten Groko-Auflage unter der Führung von CDU-Chefin Angela Merkel geschrumpft? Und: Wie viel Volkspartei steckt noch in einer Organisation, die in den vergangenen 20 Jahren gut die Hälfte ihrer Mitglieder und die Hälfte ihrer Wähler verloren hat?

Ja, wir kennen das: Volkspartei ist man nicht nach Ergebnis, sondern dem Programm nach. Aber wenn eine Partei ihr (Wahl-)Volk verliert, muss sie sich unweigerlich fragen, ob ihr Programm noch erkennbar ist, ihre Politik noch unterscheidbar (vom Angebot der großkoalitionären Mitstreiter), und ob ihre Führungsfiguren tatsächlich jenen Aufbruch verkörpern, den sie versprechen. Die SPD ist mindestens in einer Ergebniskrise – wie die Resultate der der Bundestagswahlen 2009, 2013 und 2017 untrüglich vor Augen geführt haben. Diese Zahlen lügen nicht.

Die SPD steckt in der Zange: zwischen Groko und linker Volkspartei, die sie auch sein will, und die gerade jetzt – in einer Phase der Selbstfindung – andere neu erfinden wollen. Der Großmeister des linken Populismus, Oskar Lafontaine, setzt wieder einmal sein Seziermesser bei der SPD an. Lafontaine und seine politische Gefährtin Sahra Wagenknecht wollen die Unzufriedenen und Enttäuschten in der SPD (und bei den Grünen) ansprechen, um diese für eine neue linke Sammlungsbewegung zu gewinnen.

Die Idee zu diesem Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr. Die Entscheidung Groko oder NoGroko stresst die SPD beinahe so sehr wie die Agenda 2010. Doch Lafontaine ist in der SPD politisch längst verbrannt. Sein Ruf verhallt, weil seine Autorität verbraucht ist. Auch in der Linkspartei haben viele Genossen genug von Lafontaines und Wagenknechts Ego-Trips.

Trotzdem: Grüne haben am Fleisch der SPD geknabbert, danach auch die Linke. Das kostet Substanz, ebenso wie sich die SPD in insgesamt vier Bundesregierungen seit 1998 verbraucht hat. Volkspartei zu sein, ist in Zeiten, in denen die Globalisierung eine gewisse Unverbindlichkeit und Beliebigkeit in die Gesellschaften gespült hat, extrem schwierig. Die SPD ist eine Volkspartei der linken Mitte. Sie muss nicht neu erfunden oder gar gegründet werden. Sie muss vor allem sich treu bleiben und an sich glauben.

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