Flucht aus Nordkorea Gegen das Vergessen

Bonn · Jihyun Park ist aus Nordkorea geflohen und arbeitet nun als Menschenrechtsaktivistin. Vor Kurzem war sie in Bonn bei der Jahreshauptversammlung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zu Gast.

 Jihyun Park FOTO: BRITTA RÖÖS

Jihyun Park FOTO: BRITTA RÖÖS

Foto: Britta Röös

Das Gefühl von wahrem Glück kennt Jihyun Park erst, seitdem sie in Manchester wohnt. Als junge Frau ist sie aus ihrer Heimat Nordkorea geflohen. Nachdem der erste Versuch gescheitert war und Park für kurze Zeit ins Gefangenenlager musste, kam sie 2008 nach England – gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrem Mann. Heute ist die 48-Jährige Projektleiterin bei der in England ansässigen Europäischen Allianz für Menschenrechte in Nordkorea (EAHRNK).

Um auf die schlechte Lage in ihrer Heimat aufmerksam zu machen, hält sie Vorträge vor Studenten oder Politikern und steht in Kontakt zu Hilfsorganisationen. So auch jüngst in Bonn bei der Jahreshauptversammlung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Zudem sagte Park vor der UN-Untersuchungskommission zur Menschenrechtssituation in Nordkorea aus.

Ihre Kindheit verbrachte sie mit ihrem jüngeren Bruder und der älteren Schwester in der Hafenstadt Chongjin. Nach der Schule spielten sie Kriegsspiele. „Das wurde uns so beigebracht. Wir wussten nicht, dass es fröhliche Spiele gibt“, erzählt Park. So wurde zum Beispiel aus einem Schneemann ein amerikanischer Soldat, der mit einem Eimer heißen Wassers besiegt wurde. „Nordkoreaner kennen nur Freude und Hass. Wir haben unsere Gefühle niemals beschrieben“, so Park weiter. Bis zu ihrer Flucht war sie als Lehrerin tätig.

Während der 1990er Jahre gab es in Nordkorea eine Hungersnot. 1996 musste Park mit ansehen, wie ihr Onkel verhungerte. Zwei Jahre später schickte sie ihr Vater, der bis zur Krise ein stolzer Landsmann gewesen war, aus dem Land. Zu diesem Zeitpunkt wusste Park kaum etwas über den Rest der Welt. „In der Schule hatten wir hauptsächlich die Geschichte der koreanischen Kim-Familie gelernt“, erzählt sie.

Im Laderaum eines Lkw kam sie an den Fluss, der die Grenze zwischen China und Nordkorea bildet. Da dieser zugefroren war, konnte Park zu Fuß in das Nachbarland laufen, wo sie auf einen Fluchthelfer traf, der ihr sofort Essen und Unterstützung anbot. Doch wie viele Nordkoreanerinnen wurde sie betrogen und an einen chinesischen Mann als Haussklavin verkauft. Diesem gebar sie in dieser Zeit einen Sohn.

Als Park nach sechs Jahren an die chinesische Polizei verraten wurde, schickte diese sie zurück in ihre Heimat. Ihren Sohn ließ sie zurück. „Ich wusste nur, dass ich nicht noch jemanden verlieren wollte. In China würde er wenigstens nicht verhungern“, sagt Park. Sie selbst kam 2004 in ein Gefängnislager, aus dem sie wegen ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung nach drei Monaten entlassen wurde. Im November desselben Jahres flüchtete Park erneut nach China. Der Versuch, auf diesem Weg nach Südkorea zu gelangen, scheiterte. Ebenso der, die Mongolei zu erreichen. Nahe Peking trafen Park und ihr Sohn, den sie 2005 wiedergefunden hatte, auf eine Gruppe nordkoreanischer Flüchtlinge, denen sie sich anschlossen. Dort lernte Park ihren jetzigen Mann kennen. In China traf die Familie zudem einen amerikanisch-koreanischen Pastor, der Flüchtlingen bei der Ausreise nach Europa oder Amerika half. Durch ihn bekamen sie Flugtickets nach England.

Mittlerweile lebt Park mit ihrem in China geborenen Sohn, ihrem Mann und zwei gemeinsamen Kindern in Manchester. Doch erst seit 2012 spricht die Nordkoreanerin über die Vergangenheit: „Eines Tages fragte mich mein ältester Sohn: 'Mummy, warum hast du mich zurückgelassen?' Da dachte ich, meine Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten.“

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