Kommentar zum Nato-Gipfel Gegen das Restrisiko

Meinung · Der Streit zwischen Deutschland und der Türkei über das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete durch Ankara ist der Partnerschaft in einer Allianz unwürdig, kommentiert GA-Redakteur Holger Möhle.

 US-Präsident Donald Trump wird am Flughafen von Brüssel vom belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel begrüßt.

US-Präsident Donald Trump wird am Flughafen von Brüssel vom belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel begrüßt.

Foto: dpa

Ob Donald Trump schon einmal von Montenegro gehört hat? An diesem Donnerstag, wenn der US-Präsident seine Premierenvorstellung im Kreis der Nato-Staats- und Regierungschefs geben wird, kann Trump seinen Blick auf die Landkarte Europas erweitern. Die nordatlantische Allianz wird dann den kleinen Staat an der Adria ins Bündnis aufnehmen. Die Nato wächst damit zum Club der 29 Mitglieder und wird dies als weiteren Beweis dafür feiern, dass das größte Verteidigungsbündnis auf diesem Globus unverändert attraktiv, aber vor allem eines nicht ist: veraltet, überholt, in den Strukturen des Kalten Krieges irgendwie hängen geblieben.

Trump, der milliardenschwere Unternehmer in seinem ersten Ausbildungsjahr als Präsident der Nato-Führungsmacht USA, kann gegen Ende der ersten großen Auslandsreise seiner Amtszeit gleich mehrere Punkte abhaken: Lektion absolviert. Ob tatsächlich auch gelernt, muss sich in der Praxis noch zeigen. Ausgleich mit den islamischen Staaten bei seiner Rede in Saudi-Arabien, Friedensversuch in Nahost, Besuch beim Vatikan und jetzt noch die Nato-Premiere, bevor es weiter zum G7-Gipfel geht.

Das nordatlantische Bündnis ist die Restrisikoversicherung der westlichen Welt gegen die globalisierten Gefahren auf diesem Erdball: Terror, asymmetrische Kriegsführung, hybrider, weil nicht offiziell erklärter Krieg wie im Falle der russischen Aggression in der Ost-Ukraine, Cyberkrieg und Schutz des Bündnisgebietes als Kernaufgabe. Vor allem seit Russland mit seiner aggressiven Politik die Nato dazu gebracht hat, mehr Präsenz an ihrer Ostflanke zum Schutz der baltischen Staaten und Polens zu zeigen, ist die Verteidigung der eigenen Grenzen wieder stärker in den Blickpunkt gerückt. Mit der Aufnahme von Montenegro schließt die Nato die nächste Lücke und kann nun den gesamten Küstenverlauf des nördlichen Mittelmeeres zum Bündnisgebiet zählen.

Gleichwohl muss die Nato – aller Gipfelreden zum Trotz – einräumen, dass auch ihre Macht begrenzt ist. In Afghanistan hat die Nato-geführte Mission am Hindukusch auch nach gut 15 Jahren keinen Frieden gebracht. Weite Teile des Landes sind instabil und befinden sich bestenfalls in einem Zustand von Nicht-Krieg. Jetzt will Trump neue Stärke zeigen: Die Nato soll formell der internationalen Anti-IS-Koalition in Irak und Syrien beitreten.

Es gibt viele Baustellen in einem großen Bündnis. Der Streit zwischen Deutschland und der Türkei über das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete durch Ankara ist der Partnerschaft in einer Allianz unwürdig. Bundeskanzlerin Angela Merkel muss Recep Tayyip Erdogan am Rande des Nato-Gipfels klarmachen, dass hier für Deutschland eine Grenze überschritten ist. Der Sultan von Ankara muss mit seinen Machtspielchen aufhören. Die Nato braucht ihre Energie und Ressourcen für wahrlich größere Aufgaben.

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