Kommentar zu den Anschlägen in Spanien Feige und gewissenlos

Meinung | Berlin · Mitgefühl, Trauer und Entsetzen sind menschliche Reaktionen auf die Anschläge in Katalonien. Wenig angemessen sind die Versuche von Politikern, die sich als "Alternative" verstehen. aus solchen furchtbaren Ereignissen Kapital zu schlagen.

Gedenken an die Opfer des Anschlags: Blumen und Kerzen haben Menschen auf den Ramblas in Barcelona niedergelegt.

Gedenken an die Opfer des Anschlags: Blumen und Kerzen haben Menschen auf den Ramblas in Barcelona niedergelegt.

Foto: AFP

Was ist die natürlichste, menschlichste, naheliegendste Reaktion auf den gewaltsamen Tod eines unschuldigen Menschen, gar vieler ermordeter Passanten? Mitgefühl, Trauer, Entsetzen. Nach den Terroranschlägen von London, Paris, Brüssel, Nizza und Berlin ist eine weitere hinzugekommen, deren Qualifizierung als natürlich oder menschlich allerdings zweifelhaft erscheint: Die unerträgliche Reaktion von Politikern, die sich selbst als „Alternative“ empfinden. Sie nutzen den Tod Unschuldiger, um die Schuld bei denen festzumachen, die für Menschlichkeit gegenüber Flüchtlingen und gegen Abschotten gegenüber jedem eintreten.

Sie haben in einem Punkt Recht: Die Flüchtlingsdynamik hat sorgfältiger Identitätsfeststellung zu wenig Rechnung getragen. Und noch immer ist die innereuropäische und internationale Kooperation der Sicherheitsbehörden weit hinter dem zurück, was die Bevölkerung zu Recht als selbstverständliche Schutzfunktion des Staates erwartet. Besonders prekär wird das, wenn das feige und gewissenlose Überfahren von Zufallsopfern mit Autos und Lastwagen zur Serie wird. Schon 2010 hatte der IS seine Anhänger darauf hingewiesen und das beste Vorgehen beschrieben, 2014 erneut in Botschaften an Sympathisanten dafür geworben. Es ist der Terror des geringsten Aufwandes mit dem Effekt größter Grausamkeit. Er zielt darauf ab, die westliche Gesellschaft unter immer größeren Druck zu setzen. Denn so soll sich im Prinzip jeder an jedem mit dem Auto erreichbaren Ort latent in den Händen potenzieller Dschihad-Killer fühlen. Angesichts der schwindenden Präsenz des islamistischen Kalifats in Syrien und im Irak sind solche perfiden Anschläge der verzweifelte Versuch, das Kampffeld wieder zu vergrößern.

Diesen Gefallen tun diejenigen nicht, die trauern, verurteilen, an den Sicherheitsvorkehrungen arbeiten und sich ihr freies Leben mit ihren liebgewonnenen Gewohnheiten nicht kaputtmachen lassen. Aber wer als Reaktion auf die Anschläge zu einem völlig anderen Umgang mit allen Flüchtlingen, allen Muslimen aufruft, wer gar als US-Präsident empfiehlt, muslimische Gefangene mit einer in Schweineblut getränkten Kugel zu erschießen, der hat sich auf lange Sicht die Qualifikation der IS-Ehrenmitgliedschaft erworben. Denn er predigt genau den Kampf, den die Islamisten mit ihren Anschlägen provozieren wollen. Wer massiv mit drakonischen Maßnahmen darauf reagiert, den Kampf also durch eine Änderung seiner Lebensgewohnheiten annimmt, der kann militärisch die Oberhand behalten, ist aber auf dem Weg, die eigenen Grundsätze des Zusammenlebens über Bord zu werfen. Und der riskiert mit der Verletzung der Menschenrechte, politisch zu versagen und das Feld der anderen Seite überlassen zu müssen. So sieht letztlich das Ergebnis einer „Alternative“ zu Trauer und Entsetzen aus.

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