Kommentar zur großen Koalition nach der Bayern-Wahl Es geht noch tiefer

Meinung | München · Die bayerische Landtagswahl bedeutet für die Volksparteien eine herbe Niederlage. Für die SPD wird der Verbleib in der großen Koalition zur Existenzfrage, meint GA-Redakteur Holger Möhle.

 So sieht Skepsis aus: Die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen (l.) hört der SPD-Bundesvorsitzenden Andrea Nahles zu.

So sieht Skepsis aus: Die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen (l.) hört der SPD-Bundesvorsitzenden Andrea Nahles zu.

Foto: dpa

Einfach mal angenommen, die CDU macht weiter so, die CSU macht weiter so, die SPD macht weiter so, die große Koalition insgesamt macht weiter so. Geht es dann einfach weiter so? Angela Merkel, Horst Seehofer und Andrea Nahles sollten wissen: Es geht noch tiefer. Luft nach unten ist reichlich. Die drei Parteichefs senden zwar das Signal: Wir haben verstanden! Aber zusätzlich zu dieser Beteuerung und der üblichen Versicherung einer gründlichen Analyse müssten sie zeigen, dass sie zur Kurswende noch in der Lage sind. Falls nicht, wird es noch einige Monate dauern, dann wird sich diese große Koalition von selbst erledigen. Denn in dieser Zweckverbindung lagert zu viel Sprengstoff. Merkel, Seehofer wie Nahles müssen aufpassen, nicht auch noch mit dem Ende ihrer Parteien als Volksparteien in Verbindung gebracht zu werden.

Die SPD steht schon jetzt knapp vor dem Abgrund. In Bayern marginalisiert, in Baden-Württemberg ebenfalls, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nur noch eine Randgröße. Wenn die Hessen-Wahl in zwei Wochen für die SPD mit ähnlich hohen Verlusten verloren geht wie die Bayern-Wahl, wird auch Nahles irgendwie die Notbremse ziehen müssen. Das Problem Nummer eins dieser Groko bleibt aber CSU-Chef Horst Seehofer als ewiger Zündler und Quertreiber. Solange er im Amt auch als Bundesinnenminister ist, wird diese Koalition nicht zur Ruhe kommen. Man sollte sich auch nach Seehofers jüngsten Andeutungen nicht vertun: Er klebt an seinen politischen Ämtern. Freiwillig wird er nicht gehen.

SPD als Sollbruchstelle der Koalition

Für die SPD wird der Verbleib in der Groko unterdessen immer mehr zur Existenzfrage. Das Vertrauen sehr vieler Wähler in die SPD ist dahin. Und Vertrauen ist in der Politik eine harte Währung. Schon richtig, niemand in der SPD hat eine Neuauflage der großen Koalition wirklich gewollt. Am Ende war sie staatspolitisch notwendig geworden, weil die FDP bei Nacht und Nebel dann doch nicht nach Jamaika wollte. Weitere solche Niederlagen wie zuletzt in Bayern aber kann sich die SPD nicht mehr leisten. Es geht um ihr Überleben als Volkspartei. Die Sozialdemokraten werden damit zur Sollbruchstelle der großen Koalition. Ob sie überhaupt noch die Überprüfungsklausel zur Halbzeit der Legislaturperiode ziehen werden, wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben, ist offen.

Auch die Kanzlerin steckt damit in einer Zwickmühle: Wird sie Seehofer nicht los, verliert sie als Folge davon womöglich die SPD, die sich vor politischem Selbstmord in der Groko retten muss. Das wäre dann auch das Ende von Merkel. Seehofer hätte das Opfer, das er längst hat sehen wollte. Noch sind es knapp zwei Wochen bis zur Hessen-Wahl. Bis dahin halten alle still. Vermutlich sogar Seehofer. Danach kann es bunt werden. Bis zum CDU-Parteitag im Dezember lassen sich noch Truppen gegen Merkel in Stellung bringen. Vielleicht bricht der Machtkampf dann erst richtig los.

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