G20-Außenministertreffen Ein Ort wird zum Manifest

Bonn · Der Ministertross aus 19 Nationen und der EU hätte sich in München treffen können. Oder in Berlin. Dass die Bundesregierung Bonn ausgesucht hat, ist ein klares Signal für die Vereinten Nationen.

 Am Konferenztisch: Außenminister Sigmar Gabriel mit Patricia Flor, der Leiterin der Abteilung für internationale Ordnung, Vereinte Nationen und Rüstungskontrolle im Auswärtigen Amt.

Am Konferenztisch: Außenminister Sigmar Gabriel mit Patricia Flor, der Leiterin der Abteilung für internationale Ordnung, Vereinte Nationen und Rüstungskontrolle im Auswärtigen Amt.

Foto: Benjamin Westhoff

Wie leitet man ein G20-Treffen, wenn die ganze Zeit ein großer, unsichtbarer Elefant im Raum steht? Die Antwort ist einfach: Man gibt sich den Anschein, als würde man den kolossalen Dickhäuter gar nicht spüren, aber codiert jede Botschaft so, dass sie unmissverständlich und nur für ihn gemeint ist. US-Präsident Donald Trump hat keinen Fuß nach Bonn gesetzt, doch gefühlt war er die vergangenen zwei Tage sehr präsent bei der G20-Konferenz der Außenminister. Kaum ein Treffen, kein Randgespräch, in dem nicht sein Name fiel.

Den Ministerdelegationen fiel die zähe Aufgabe zu, über Trumps Abgesandten Rex Tillerson die politischen Positionen der US-Regierung geradezu telepathisch zu erspüren. Amtsneuling Tillerson selbst äußerte sich nur wenig, wich Fragen aus, sprach in vorgestanzten Wort-Schablonen. Freundlich, zugewandt, aber hartnäckig unlesbar. Tickt er wie Trump oder würde er versuchen, mäßigend das ja nicht unbeachtliche Krisenknäuel dieser Welt zumindest auf Deeskalationskurs zu halten? All diese Fragen sollten offen bleiben.

Von Frust war jedoch bei Sigmar Gabriel (SPD), wie Tillerson Neuling im Außenministeramt, wenig zu spüren, als er am Freitagnachmittag zum Abschluss der Konferenz vor die Presse tat. Selbstbewusst formulierte er stattdessen seine eigenen Positionen. Die klangen selbstverständlich, fast banal, aber Adressat waren ja nicht Miteuropäer, die Deutschen oder die anderen Wirtschaftsmächte am Tisch und auf der Wellenlänge des gesunden Menschenverstandes. Adressat war der Elefant.

Und so betonte Gabriel das eigentlich Offensichtliche: Dass die G20-Länder vier Fünftel der globalen Wertschöpfung erbringen und damit „besonders große Verantwortung tragen“. Dazu gehörten auch die 17 Ziele, die das Leben auf diesem Planeten besser machen sollen und zu denen man sich in der Agenda 2030 verpflichtet habe. „Der G20 kommt eine Schlüsselrolle zu“, so Gabriel, „ohne gemeinsame Arbeit können diese Ziele nicht erreicht werden.“ Ende der Aufwärmphase, Übergang zum Klartext.

Sehr deutlich erteilte der Außenminister US-Forderungen nach einer Anhebung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts einen Dämpfer. „Man darf nicht Sicherheitspolitik auf die Höhe des Verteidigungsbudgets reduzieren“, sagte er, „für Sicherheit bedarf es mehr.“ Schon am Donnerstag hatte er den US-Kurs kritisiert, ohne das Land explizit zu benennen: Flüchtlinge seien auch das „Ergebnis von verfehlten militärischen Interventionen“. Den protektionistischen Ehrgeiz Trumps lehnte Gabriel offen ab. „Wir alle spüren die Folgen globaler Krisen, die Folgen von Terror, Flucht und Vertreibung“, sagte er, „doch Lösungen finden wir nur in Kooperation, nicht mit neuer Abschottung.“

Was dann folgte, war ein klares Bekenntnis zu den Vereinten Nationen – einer Institution, die weltweit Konsens und Anerkennung genießt, aber fürchten muss, dass der Geldgeber USA den Hahn zudreht. Ein Fünftel des UN-Budgets bestreiten die USA. Nun heißt es, Trump wolle die Mittel fast halbieren und den Geldfluss von politischen Bedingungen abhängig machen. „Die UN sind Ort von Kooperation“, formulierte Gabriel es weiter, „deshalb haben wir uns genau diesen Standort für die G20-Konferenz ausgesucht.“ Bonn ist mehr als nur Tagungsort – die Stadt wird zum Manifest einer Zukunftsvision: „Das Schwerpunktthema Nachhaltigkeit hier vor Ort ist sichtbares Zeichen der UN-Arbeit“, betonte der Außenminister.

Pläne, etwa Globalisierung und Digitalisierung sozial abzufedern, fehlten zwar in Gabriels kurzen Abschlussbemerkungen. Die Mahnungen in Richtung Trump-Regierung ließ er allein stehen, unverwässert und nur garniert mit einem charmanten Dank an Bonner Bürger und Stadtverwaltung: „Vielen Dank für alles. Ich hoffe, dass die Belastungen nicht zu groß waren. Dies ist ein exzellentes Konferenzzentrum und wir haben uns hier sehr wohl gefühlt.“

Für den exklusivsten Teil der Konferenz wurde sogar die Villa Hammerschmidt geöffnet, um den Außenministern – nur begleitet von Dolmetschern – Zeit im kleinen, schönen Kreis zu ermöglichen. Sie trafen sich dort, wo schon vor Jahrzehnten die Bundesrepublik ihre wichtigsten Gäste empfing. Zu Zeiten der Bonner Republik war die Villa, wie sie in Bonn schlicht heißt, Sitz des Bundespräsidenten, und auch heute ist sie noch zweiter Sitz des Staatsoberhaupts. Joachim Gauck ist dort oft und gern.

Die Minister begannen mit einem 90-minütigen Essen, bei dem zwischen den einzelnen Gängen jeder Gast kurz seine Sicht der Weltlage darstellen durfte. Danach traf man sich in kleineren Runden – Gabriel und Tillerson in einem Zimmer mit Rheinblick. Worüber sie gesprochen haben, darüber gibt es offiziell keine Verlautbarung. Doch es dürfte kein Geheimnis sein, dass Tillerson – wie zuvor bei diversen Gesprächen mit anderen Kollegen – auch in Bonn erst einmal zugehört hat. Ob das auch Trumps Devise ist?

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