Elizabeth II. verliest Regierungserklärung Die Königin als Brexit-Sprachrohr

London · Königin Elizabeth II. verliest im britischen Parlament das Regierungsprogramm. Mit neuen Gesetzen bereitet sich die britische Regierung auf den EU-Austritt vor.

Es gehört eigentlich zum Höhepunkt des politischen Kalenders im traditionsverliebten Großbritannien, wenn Königin Elizabeth II. auf dem mit Gold verziertem Thron die Regierungserklärung verliest. Dieses Jahr aber ist vieles anders. Die Konservativen haben in der vorgezogenen Neuwahl ihre absolute Mehrheit verloren und stecken in Gesprächen über die Regierungsbildung fest, weshalb die Queen's Speech in einem ungewöhnlichen Schritt um zwei Tage verschoben wurde.

Seit Montag verhandelt das Land zudem mit Brüssel die Scheidung. Die Überraschung hielt sich gestern deshalb in Grenzen, als die Monarchin in der feierlichen Zeremonie sofort auf den Brexit zu sprechen kam. „Die Regierung wird mit der Europäischen Union daran arbeiten, die bestmögliche Einigung zum britischen EU-Austritt zu erreichen“, las sie den Schwerpunkt der Erklärung vor. Es gehe darum, die „tiefe und besondere Partnerschaft“ zu den europäischen Verbündeten aufrechtzuerhalten.

Zu einer der größten Herausforderungen, die London stemmen muss, gehört die Umsetzung des Großen Aufhebungsgesetzes, das 20 000 EU-Vorschriften in britisches Recht übertragen soll. Zudem wurden Gesetzesvorhaben für Bereiche wie den Zoll, die Einwanderung, Sicherheit, Landwirtschaft, Fischerei oder den Handel vorgestellt. Auch wenn einige Beobachter im Vorfeld noch gemutmaßt hatten, dass Premierministerin May aufgrund der Wahlschlappe ihre harte Brexit-Linie verwässern würde – danach klang die Erklärung nicht. Die Konservativen bereiten den Austritt des Königreichs aus der Zollunion und aus dem EU-Binnenmarkt vor, um die Freizügigkeit für EU-Bürger zu beenden. Damit könnten die Briten künftig die Zahl der Migranten kontrollieren – eine der Kernforderungen der Hardliner unter den Brexit-Anhängern.

Die Monarchin ist nur das feierliche Sprachrohr, die Rede stammt stets aus der Feder der Regierung. Die kurze Ansprache konzentrierte sich vor allem auf jene acht Gesetzentwürfe, mit denen der EU-Ausstieg geregelt werden soll. So ließ May mehrere Kernvorhaben, die im Wahlkampf für Kritik gesorgt hatten, fallen. Es wurde weder die Reform der Finanzierung der Altenpflege noch die Streichung des kostenlosen Schulessens oder eine Abstimmung über die Wiedereinführung der kontrovers diskutierten Fuchsjagd erwähnt. Keine Rede war auch vom höchst umstrittenen Staatsbesuch von US-Präsident Donald Trump, was Kommentatoren so interpretierten, dass die feierliche Visite nach landesweiten Protesten und einer von mehr als 1,8 Millionen Menschen unterzeichneten Petition auf Eis gelegt wurde. Laut Downing Street tauchte dieser Punkt jedoch nicht auf, weil es noch keinen festen Termin gebe.

Viele betrachteten Mays Schritt, die Queen's Speech für diesen Mittwoch anzusetzen, als gewagt. Immerhin laufen noch immer die Gespräche mit der erzkonservativen nordirischen Regionalpartei DUP, von der sich die Tories in einer Minderheitsregierung dulden lassen wollen. Ein Deal steht noch aus. Die Verhandlungen gingen „nicht in die von der DUP erwartete Richtung“, hieß es.

Mit der Queen's Speech wird die neue Sitzungsperiode eröffnet. Die Zeremonie verläuft streng nach Protokoll und hat sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts kaum verändert. Doch aufgrund der vorgezogenen Wahl und der relativ kurzen Vorbereitungszeit für das Spektakel wurde der traditionelle Pomp und Prunk zurückgefahren. Keine Pferde, keine Kutsche, weniger Feierlichkeit – die Queen fuhr in der Limousine vor.

Und anders als sonst üblich schritt Königin Elizabeth II. auch nicht an der Hand von Prinz Philip in einem roten Samtumhang mit Hermelinfutter und Goldbesatz ins Oberhaus, sondern erschien im blauen Tagesdress, begleitet von ihrem Sohn, Prinz Charles. Ihr Ehemann Prinz Philip war am Dienstagabend wegen einer Infektion ins Krankenhaus eingeliefert worden, offenbar als Vorsichtsmaßnahme, teilte der Buckingham-Palast mit und schob wie zur Beruhigung nach: Er sei guter Dinge.

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