Flucht nach Bangladesch Die Ausgestoßenen aus Myanmar

Bangkok · Mehr als 100.000 Rohingya Familien fliehen vor blutiger Verfolgung aus Myanmar nach Bangladesch. Es ist das traurige Erbe von 1942.

 Eine Rohingya-Familie aus Myanmar nähert sich der Grenze von Bangladesch, nachdem sie den Naf-Fluss überquert hat.

Eine Rohingya-Familie aus Myanmar nähert sich der Grenze von Bangladesch, nachdem sie den Naf-Fluss überquert hat.

Foto: AP

Entlang des Naf-Flusses an der Grenze von Bangladesch erleuchten die Feuer, die nur ein paar Kilometer entfernt Dörfer verwüsten, die Nächte. Auf den Hügeln von Balukhali, die vor einer Woche noch menschenleer waren, beobachten Tausende von Rohingya-Flüchtlingen in notdürftigen Unterständen aus Bambus und Plastikplanen, wie jenseits der Grenze riesige Rauchwolken aufsteigen.

125.000 Rohingya, mehr als zehn Prozent der insgesamt auf 1,1 Millionen Menschen geschätzten Minderheit in Myanmar, schleppten sich laut jüngsten Zahlen der Vereinten Nationen nur mit ihrer nötigsten Habe auf dem Rücken über die Grenze. Am 25. August hatten militante Islamisten der Gruppe Harakah-al-Yakin (HaY – Bewegung des Glaubens) Posten der Sicherheitskräfte im Norden des Rakhine-Staats entlang Myanmars Grenze zu Bangladesch attackiert. Die Angriffe werden offenbar von einem Mann namens Ata Ullah geleitet, der in Pakistans Wirtschaftsmetropole Karachi geboren wurde, in Saudi Arabien aufwuchs und nach Jahrzehnten der Unterdrückung der Rohingya längst auch Anhänger unter den jungen Leuten birmanischer Muslime findet.

Fast 400 Menschen starben laut Angaben de Regierung von Myanmar, seit die Streitkräfte des Landes zum Gegenschlag gegen die Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA), wie die Generäle die bewaffnete Gruppe nennen, ausholte. General Min Aung Hlaing, Oberkommandierender von Myanmars Streitkräften, erklärte: „Wir werden nicht erlauben, dass eine Lage wie im Jahr 1942 entsteht.“ Damals verbündeten sich die muslimischen Rohingya mit der britischen Kolonialarmee und versuchten, einen eigenen Staat zu errichten.

Zehntausende starben bei blutigen Zusammenstößen mit buddhistischen Bewohnern des Rakhine-Staats, die sich mit Japans Besatzungsarmee zusammengetan hatten. Seither werden den Rohingya – in Myanmar gerne als „Bengalis“ aus Bangladesch beschimpft – Staatsbürgerechte verweigert. Für General Hlaing steht fest: „Im Rakhine-Staat wird gerade aufgeräumt, was 1942 liegen blieb.“

Rohingya-Flüchtlinge, die mittlerweile Bangladesch erreicht haben, berichten, Soldaten, Polizei und Mobs ihrer buddhistischen Nachbarn hätten sie attackiert und ihre Dörfer abgefackelt. Die Sicherheitskräfte behaupten, die Flüchtlinge hätten fast 2000 Häuser selbst in Schutt und Asche gelegt, bevor sie sich nach Bangladesch davonmachten. Die Regierung mit ihrer De-facto-Chefin Aung San Suu Kyi beschuldigte unterdessen internationale Hilfsorganisationen, die Rebellen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Inzwischen dürfen keine Helfer mehr in das Konfliktgebiet.

Die Streitkräfte Myanmars sind offenbar fest entschlossen, an ihrem Kurs der verbrannten Erde festzuhalten. Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi schweigt trotz eines emotionalen Appells der pakistanischen Friedensnobelpreisträgerin Malala Yussufzai an ihre Menschlichkeit.

Dabei schlägt die gegenwärtige Rohingya-Krise längst weltweite Wellen. Türkeis Außenminister Mevlut Cavusoglu, dessen Regierung ihren Einfluss bei Asiens Muslimen auszuweiten versucht, forderte Bangladesch auf: „Lasst alle Rohingya-Flüchtlinge rein. Wir übernehmen die Kosten.“ Dhaka weigerte sich zunächst, die Vertriebenen aufzunehmen, kapitulierte inzwischen aber vor der massiven Menschenwelle.

Staaten wie Malaysia und Indonesien sowie Pakistan mit einer islamischen Bevölkerungsmehrheit plädieren gegenwärtig lautstark für eine bessere Behandlung der Rohingya – weil radikale Gruppen wie Taliban, Al Kaida und der Islamische Staat (IS) ungeniert Propaganda mit dem Schicksal der Rohingya betreiben. Mehrheitlich buddhistische Länder wie der Myanmar-Nachbar Thailand mit seiner Militärjunta halten sich dagegen auffallend mit Forderungen an Aung San Suu Kyi zurück.

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