Reform des EU-Waffenrechts Der Schuss geht daneben

Brüssel/Luxemburg · Die EU-Justizminister haben ein neues Waffenrecht verabschiedet, mit dem die Sicherheit der EU-Bürger verbessert werden soll. Experten rügen allerdings, dass vor allem legale Besitzer betroffen sind

Die blutigen Anschläge von Paris und Brüssel haben tiefe Erschütterung hinterlassen. „Wir haben nun dafür gesorgt, dass die Sicherheit der EU-Bürger verbessert wurde“, sagte der niederländische Justizminister Ard van der Steur am Freitag, als er bei einem Treffen mit seinen Kollegen in Luxemburg „wichtige Konsequenzen“ vereinbart hatte: Das Waffenrecht in Europa wird verschärft. Privatleute dürfen halbautomatische Waffen nicht mehr besitzen, der Internet-Handel mit vollautomatischen Maschinen- und Sturmgewehren soll verboten werden.

Ausnahmen gibt es für Jäger, Schützen oder Sportschützen, die eine Lizenz erworben haben. Sie können auch künftig Waffen kaufen, doch wurden die bürokratischen Auflagen erhöht: Sie müssen ihre Genehmigung künftig alle fünf Jahre erneuern. Außerdem werden Gas- und Schreckschusspistolen in die Kontrollen einbezogen. „Wir haben eine faire Balance zwischen den Interessen legaler Waffenbesitzer und schärferem Vorgehen gegen illegale Beschaffung von Schusswaffen erreicht“, zeigte sich van der Steur als Vertreter des niederländischen EU-Vorsitzes überzeugt. Polizei und Militär sind von den neuen Vorschriften übrigens nicht betroffen.

Doch der Widerstand und die Kritik an dem Vorgehen der EU reißt nicht ab. Vor allem die rund 1,4 Millionen Mitglieder des Deutschen Schützenbundes, dem etwa 15 000 Vereine angehören, sehen in den neuen Vorschriften keinen wirklichen Zugewinn an Sicherheit. Jürgen Kohlheim aus dem Präsidium des Bundes verweist auf die Schwachstellen: „Man kann Terrorismus nicht verhindern, wenn man legale Waffenbesitzer noch stärker kontrolliert als bisher.“

Beim „Forum Waffenrecht“ wird der gleiche Ansatz kritisiert: „In dem Beschluss werden in unzulässiger Weise legale Waffen und und rechtmäßiger Waffenhandel mit illegalen Waffen und kriminellem Handel gleichgesetzt.“ Experten schätzen, dass es in der EU rund 50 Millionen Schusswaffen gibt, von denen niemand weiß, in wessen Händen sie sich befinden. Gegen diese Hochrüstung biete der am Freitag von den Justizministern gebilligte Vorschlag der Brüsseler EU-Kommission „praktisch keine Handhabe“, heißt es.

Stattdessen halte die EU „unverständlicherweise“ an ihrer Theorie fest, dass sich Terroristen größtenteils aus dem Internet mit Teilen von Kriegswaffen eindecken würden, die sie dann für ihre Zwecke zusammenbauen. Fachleute nennen das eine „bewusste Täuschung oder gar Irreführung“. Wer in Europa oder Nordafrika halbautomatische Gewehre für einen Anschlag beschaffen wolle, bekomme diese je nach Mitgliedsland für Beträge zwischen 50 und 500 Euro. „Warum sollte er sich also etwas aus dem Internet zusammenbasteln?“Im Europäischen Parlament will man, wenn der Ministerbeschluss in den kommenden Wochen beraten wird, zuvor noch die Experten der Polizeizentrale Europol anhören. Ob die es schaffen, den EU-Volksvertretern klarzumachen, dass die Verschärfung des Waffenrechts die Falschen trifft, ist offen.

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