Amerikas Rechte Das neue Selbstbewusstsein der weißen Rassisten

Washington · Donald Trump verurteilt rechtsextreme Gewalt erst mit zwei Tagen Verspätung. Provider zieht der Neonazi-Seite „Stormer“ den Stecker

Ein Foto aus vergangenen Tagen hält Susan Bro, die Mutter der in Charlottesville getöteten Heather Heyer, am Montag in die Kameras.

Ein Foto aus vergangenen Tagen hält Susan Bro, die Mutter der in Charlottesville getöteten Heather Heyer, am Montag in die Kameras.

Foto: AP

Unter großem Druck der Öffentlichkeit und auf Anraten republikanischer Prominenz wie enger Mitarbeiter im Weißen Haus hat US-Präsident Donald Trump zwei Tage nach dem tödlich geendeten Gewaltexzess von Rechtsextremisten in Charlottesville beigedreht. „Rassismus ist böse“, sagte Trump gestern in Washington. Er bezeichnete Neonazis sowie den auf weiße Vorherrschaft setzenden Ku-Klux-Klan als „abstoßend“. Besagte Gruppen hätten keinen Platz in Amerika.

Nach ausgiebigem Selbstlob für den angeblichen wirtschaftlichen Fortschritt der USA („eine Million Arbeitsplätze seit Amtsantritt“) sagte Trump, dass alle, die im Namen von Rassismus Gewalt ausübten, „Kriminelle und Verbrecher sind“ und zur Rechenschaft gezogen würden. Amerika als Nation sei auf der „Wahrheit gegründet, dass wir alle gleich erschaffen sind“. Trump erlaubte bei seinem vom Teleprompter abgelesenen Statement keine Nachfragen von Journalisten.

Der Präsident war seit Samstag massiv unter Druck geraten, weil er nach der Tragödie von Charlottesville, der Ausschreitungen von rechten und linken Demonstranten vorausgegangen waren, gleichrangig „Gewalt von vielen Seiten“ beklagt hatte. Ohne gesondert darauf einzugehen, dass ein 20-jähriger Neonazi mit seinem Auto mit Absicht in eine Gruppe von Linken gerast war. Dabei kam eine 32-jährige Frau ums Leben. 20 Menschen wurden verletzt.

Trumps Konzession an seine Kritiker war gestern der Rücktritt eines prominenten Afro-Amerikaners aus einem wirtschaftlichen Beirat des Präsidenten vorausgegangen. Ken Frazier, Chef des Pharma-Riesen Merck, hatte mit Verweis auf Trumps vage erste Erklärung seine Zusammenarbeit aufgekündigt. Trump konterte: Frazier habe dann jetzt mehr Zeit, „halsabschneiderische“ Arzneimittelpreise zu senken.

Dass Trump den Gewaltakt von Charlottesville nach wie vor nicht als Fall von inländischem Terrorismus ansieht, obwohl FBI und Justizministerium auch in diese Richtung ermitteln, war für seine Kritiker ein Hinweis, dass sich der Präsident nach wie vor schwer tut, die extreme politische Rechte im Land öffentlich auszugrenzen.

Die Gründe dafür lieferte möglicherweise im vergangenen Herbst der „Daily Stormer“. Damals machte die klickträchtigste Neonazi-Webseite in den USA eine seltene Wahlempfehlung. „Donald Trump ist bereit zu sagen, was die meisten Amerikaner denken“, schrieben die Rechtsextremisten, nachdem Trump massiv gegen illegale Einwanderer und die Einreise von Muslimen zu Felde gezogen war. Der „Stormer“ rief die weiße Bevölkerung auf, „zum ersten Mal in unserem Leben für den einen Mann zu stimmen, der tatsächlich unsere Interessen vertritt“. Zehn Monate später sitzt Trump im Weißen Haus. und mobilisiert trotz der gestrigen Distanzierung mit seier populistischen Identitätspolitik weiter das Rechtsaußen-Spektrum, das laut FBI auf „einige Zehntausend Mitglieder“ bauen kann.

Nicht nur das. Trump hat in der zersplitterten radikalen Rechten für eine flächendeckende Enthemmung gesorgt. „Sieg Heil“-Rufe mit armlangem Hitlergruß, Hakenkreuze und andere NS-Devotionalien gehörten auch in Charlottesville zum Repertoire vieler Provokateure, die in Richard Spencer und David Duke zwei Promis in ihren Reihen haben. Duke war Grand Wizard des für Hunderte Lynchmorde an Schwarzen verantwortlichen Kapuzenträger-Vereins Ku-Klux-Klan. In Charlottesville erklärte der bekennende Rassist, dass die Bewegung „Trumps Versprechen einlöst – wir holen uns unser Land zurück“.

Doch die Provider ziehen den Rechten nun den Stecker. Webhoster GoDaddy hat die Betreiber der Neonazi-Seite „Daily Stormer“aufgefordert, zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Der „Stormer“ sei informiert worden, sich binnen 24 Stunden einen neuen Provider zu suchen, twitterte GoDaddy am Montag. Grund sei der Verstoß gegen die Nutzungsregeln. Am Montag versuchten die Betreiber der Site, die Domain auf Server von Google umzuziehen. Zwei Stunden nach der Registrierung lehnte der Internet-Konzern den Domain-Umzug ab.

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