Jean-François Copé Chef der französischen Opposition sucht den Tabubruch

Paris · Vergeblich mühen sich Frankreichs Volksparteien bisher ab, dem steten Aufstieg des rechtsnationalen Front National etwas entgegenzusetzen. Nun versucht es Jean-François Copé, Chef der bürgerlich-rechten Oppositionspartei UMP, mit dem Vorschlag einer "neuen Einwanderungspolitik".

Bis Jahresende will er einen Gesetzentwurf im Parlament einbringen, demzufolge Kinder von Ausländern, die auf französischem Boden zur Welt kamen, mit Erreichen der Volljährigkeit nicht mehr so leicht die französische Staatsbürgerschaft erhalten. Bislang müssen sie lediglich nachweisen, dass sie seit ihrem elften Geburtstag mindestens fünf Jahre hier gelebt haben.

"Ist es normal, dass ein in Frankreich geborenes Kind von Eltern, die illegal eingewandert sind, automatisch Franzose werden kann?", fragte Copé in einem Radio-Interview. "Meine Antwort lautet: nein." Die Initiative erscheint als Reaktion auf die Diskussion um die umstrittene Abschiebung des 15-jährigen Roma-Mädchens Leonarda Dibrani und ihrer Familie in den Kosovo. Tausende Schüler demonstrierten dagegen, während eine Mehrheit der Bevölkerung sie guthieß.

Copé, der für eine "komplexfreie" Politik stehen will, begeht mit seinem Vorstoß einen bewussten Tabubruch, der sich an der Forderung des Front National orientiert, das in Frankreich vorherrschende Geburtsortsprinzip (ius soli) abzuschaffen und mit dem Abstammungsprinzip (ius sanguinis) zu ersetzen. Er forderte außerdem, "Schengen neu zu organisieren und die Länder auszuschließen, die ihre Grenzen nicht kontrollieren". Frankreich dürfe "nicht mehr Europas sozial attraktivstes Land für Einwanderer sein". Diese sollten nicht mehr staatliche Medizinversorgung erhalten, auch wenn sie keine Beiträge zahlen.

In Umfragen sagen zwar mehr als zwei Drittel der Franzosen, es gebe zu viele Einwanderer, aber nur zwölf Prozent halten den Kampf gegen illegale Einwanderung für eine Priorität. Doch die Vorzugsthemen von Rechtspopulistin Marine Le Pen, Immigration und innere Sicherheit, zu besetzen und auf ihrem Terrain Wähler zu sammeln war bereits die Strategie von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Mit mäßigem Erfolg, da der Front National während seiner Amtszeit zulegte wie nie zuvor: Erreichte 2007 Jean-Marie Le Pen 10,44 Prozent der Stimmen, holte seine Tochter Marine im vergangenen Jahr 17,9 Prozent. Für die Kommunal- und Europawahlen 2014 sagen ihr die Meinungsforscher noch bessere Ergebnisse voraus. Sarkozy, der selbst ungarische und griechische Vorfahren hat, wollte zwar die Einwanderung begrenzen, das Geburtsortsprinzip aber bewahren: "Es gehört zu Frankreich", erklärte er. Auch jetzt gibt es in der UMP Widerspruch gegen Copés Vorschläge. Um Wähler zu gewinnen, müsse eine Partei wiedererkennbar sein, was nicht mehr gelinge, erklärt Ex-Justizminister Jacques Toubon: "Die einzige wiedererkennbare Partei ist heute der Front National. Wir können nicht dieselbe Identität suchen."

Auch die regierenden Sozialisten, die infolge der "Leonarda-Affäre" das Asylrecht reformieren wollen, werfen der UMP vor, sich zu radikalisieren und dem Front National immer mehr anzunähern. Dessen Vorsitzende Le Pen wiederum kritisiert ein "wahltaktisches Manöver": Was Copé vorschlage, "hätte er machen können, als seine Partei noch an der Macht war."

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